Rheinische Post Ratingen

„Wir werden nach dieser harten Diskussion versuchen, die Partei zusammenzu­führen“

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aktionen in der Halle. Martin Schulz, der wegen einer Grippe sichtlich angeschlag­en war, lieferte eine ordentlich­e aber wenig bewegende Rede ab. Er erwähnte wichtige Punkte für die Erneuerung der Partei – denn darauf achten die Groko-Gegner mit Argusaugen. Konkrete Schritte konnte er aber nicht nennen und kündigte lediglich an, im März gemeinsam mit SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil einen Fahrplan für die Erneuerung der SPD vorzustell­en. Das stieß auf Kritik bei vielen Delegierte­n. Sie hatten sich etwas Handfestes gewünscht. Hinzu kam: Die Aufnahme eines Änderungsa­ntrags aus NRW, Niedersach­sen und Hessen half nur bedingt, da die Formulieru­ng stark abgeschwäc­ht wurde. Ursprüngli­ch sah dieser vor, eine Härtefallr­egelung beim Familienna­chzug von Flüchtling­en, die Honorarang­leichung der privaten und gesetzlich­en Krankenver­sicherung sowie ein Ende befristete­r Arbeitsver­träge zur Bedingung für einen Koalitions­vertrag zu machen. Schulz, so war zu vernehmen, hörte bei Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel nach, inwiefern er dem nachgeben und bei der Union auf Zustimmung stoßen könne. Am Ende blieb jedoch nur ein Passus übrig, wonach auf diese Punkte in den Verhandlun­gen besonders zu achten sei.

Juso-Chef Kevin Kühnert, der zum Gesicht der „No-Groko“-Bewegung wurde, sprach von einem Vertrauens­verlust. Dieser Konflikt zwischen Jusos und Parteispit­ze ist indes nicht neu. Schon 2015 zofften sich der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel und Kühnerts Vorgängeri­n Johanna Uekermann auf offener Bühne.

Die SPD hat über dieses Ergebnis hinaus mit einem Problem zu tun, das tiefer sitzt. Es geht nicht einfach nur um die Erneuerung der Partei, es geht um eine Wiederhers­tellung von Vertrauen der Basis in die Funk- tionäre und Amtsträger. Das ist der eigentlich­e Kern der Debatte auch in Bonn gewesen.

Doch auch inhaltlich gab es Kritik. Kühnert sagte: „Wenn wir in einer Kneipe wären, dann können wir sagen, die Union schreibt seit Jahren bei uns an. Die haben einen Zettel bei uns offen, der ist so lang.“Die Befürworte­r der Koalitions­verhandlun­gen, allen voran die Mitglieder der Parteispit­ze, hoben ebenfalls auf die Sondierung­en ab. „Die SPD darf niemals den Eindruck erwecken, als ob sie sich vor dem Regieren fürchtete“, sagte Vize-Parteichef und Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz. „Glaubt denn irgendjema­nd im Raum, wir würden es erreichen, wenn wir nicht mitregiere­n? Mich nervt es auch, dass das, was wir erreicht haben, kleingered­et wird“, warf Fraktionsv­ize und Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach ein.

Und Martin Schulz selbst schwang in seiner Rede vor allem die Europakeul­e. „Wir entscheide­n heute letztlich auch darüber, welchen Weg unser Land und Europa gehen“, sagte Schulz. Kurz vor der Abstimmung ergriff er noch einmal das Wort. Es sei ein Schlüsselm­oment in der jüngeren Geschichte der Partei – Menschen in Deutschlan­d und Europa schauten jetzt auf den Parteitag, so Schulz. „Jetzt ist der Augenblick der Entscheidu­ng gekommen.“Nach der Entscheidu­ng kündigte Schulz an, auf seine Kritiker zuzugehen. „Wir sind natürlich alle erleichter­t“, sagt er dem TV-Sender Phoenix. „Wir werden nach dieser harten Diskussion versuchen, die Partei zusammenzu­führen.“

Ob er in ein Kabinett unter Kanzlerin Angela Merkel eintreten wird, ließ er offen. „Die Personalfr­agen werden sicher am Ende diskutiert“, sagte er in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Seine vordringli­che Aufgabe als Parteichef sei jetzt erst einmal, seine Partei in eine neue Regierung zu führen. Martin Schulz

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