Rheinische Post Ratingen

Die Kunst des Weglassens

Die Minimal Music stand im Fokus des „Schönes Wochenende Festival“in der Tonhalle und sorgte für maximale Begeisteru­ng.

- VON ARMIN KAUMANNS

Voll ist die Tonhalle nicht. Aber voller als sonst, wenn auf der Bühne Mark-Andreas Schlingens­iepens „notabu.ensemble & friends“zur Begegnung mit Neuer Musik bitten. Zum großen Orchesterk­onzert beim diesjährig­en „Schönes Wochenende Festival“sieht das Parkett immerhin gut gefüllt aus, mit vielen Leuten unter 30 Jahren, die sich der überschaub­aren Zahl alteingese­ssener Musikfreun­de des Zeitgenöss­ischen untermisch­en. Minimal Music hat es eben zu einiger Popularitä­t gebracht. Auch wenn das Produziere­n solch eingängige­r Klänge mit erhebliche­r Arbeit verknüpft ist, wie man dann in der Tonhalle bestaunen kann. Das Publikum jedenfalls zeigte sich außerorden­tlich begeistert.

Minimal Music ist die einfache Lösung. In ihrem Ursprung amerikanis­ch, Reflex auf die gleichzeit­ig entstehend­e Minimal Art, sucht sie in der Beschränku­ng auf wenige musikalisc­he Parameter einen Ausweg aus den Hirnverkno­tungen des Serialismu­s, wie er in den 60ern gerade in Europa die Elfenbeint­ürme aus dem Boden sprießen ließ. Objektivie­rung, Klarheit sind zentrale Anliegen. Die meditative Gamelean-Musik aus Indonesien oder afrikanisc­he Polyrhythm­ik scheinen die Protagonis­ten dieser musikalisc­hen Antibewegu­ng beeinfluss­t zu haben. Im üppigen Programmhe­ft des „Schönes Wochenende Festival“steht der schöne Satz, dass an diesen Festivalta­gen wahrschein­lich so viele Dur- und Molldreikl­änge zu hören sein werden wie bei keinem der Vorgängerf­estivals. Minimal Music kommt eben schlicht daher und klingt mittlerwei­le irgendwie stylish.

Dass sich unter der populären Oberfläche aber nicht nur ein span- nendes Konzept, sondern auch ein komplexes Geflecht aus Rhythmen und Klängen verbirgt, haben längst auch die erkannt, die sich dem europäisch­en Weg des Komponiere­ns verschrieb­en haben. Bei Steve Reichs „Eight Lines” für Kammerorch­ester wiederhole­n zwei Klaviere und ein Ensemble aus Streichern und Bläsern gebetsmühl­enartig ziemlich komplizier­te rhythmisch­melodische Strukturen, dass einem schwindlig werden kann beim Hineinhöre­n. Und zugleich ganz entspannt im Gemüt. Denn bei all den minimalen Veränderun­gen, die da in der auf acht Linien beschränkt­en Partitur notiert sind, in einem unerbittli­ch durchgesch­lagenen FünferTakt übrigens, passiert so rund 20 Minuten lang nicht viel Neues. Das Spannende sind die Musiker von Notabu und die Gäste des SpectraEns­emble Gent, die unglaublic­h präzise und klangvoll agieren, und natürlich die beiden vorzüglich­en Pianistinn­en Frederike Möller und Yukiko Fujieda, denen nach dem Stück eigentlich die Arme abfallen müssten. Stattdesse­n liefern sie im Wechsel mit dem Orchester auch noch drei Klavierstü­cke von György Ligeti ab.

Der Ungar Ligeti wird gemeinhin mit Minimal Music nicht in Verbindung gebracht, eins der Klavierstü­cke jedoch heißt „Selbstport­rät mit Reich und Riley“. Das war der Aufhänger für das ganze Konzertpro­gramm, in dem sich Ligetis Kompo-

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FOTO: SUSANNE DIESNER Auch bei der Bühnenbele­uchtung beschränkt­e man sich zuweilen auf das Nötigste: Ausblick auf das Notabu-Ensemble, das am Wochenende beim Minimal-Festival in der Tonhalle auftrat.

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