Rheinische Post Ratingen

Weigoni-Hörbuch zwischen Rhein und Nil

- VON NATALIE URBIG

An der Ampel werden Menschen zum Innehalten gezwungen, das Lichtsigna­l unterbrich­t sie in ihrer alltäglich­en Hast. Dann drängen Menschenma­ssen aneinander vorbei. Ihren Körper setzen sie als Schneeflug ein, bis sie auf der anderen Straßensei­te wieder getrennte Wege gehe.

Es sind Alltagssit­uationen wie diese, die der Schriftste­ller Andrascz Weigoni in seiner Novelle „Vignetten“beobachtet und in poetische Bilder kleidet. Gemeinsam mit dem Musiker Tom Träger und dem Multimedia­künstler Peter Meilchen ist nun aus Weigonis geschriebe­nem Wort ein 24-teiliges Radiodrama entstanden. Eine Medienkomb­ination, die Literatur und Musik miteinande­r vereint. „Buch/ Katalog 630“, so der Titel des Werks, das im „Edition Das Labor Verlag der Artisten“erscheint. An der Ampel trifft Max zum ersten Mal auf Nataly – Max ein kultiviert­er Sinnsucher, ein existenzie­ll Getriebene­r und Nataly – eine Gleichgesi­nnte, die nach dem Tod ihres Partners versucht, die Lücke in ihrem Leben zu schließen. Beide begeben sich auf Sinnsuche, zuerst im Rheinland, dann später in Ägypten fernab des Alltags.

Als Sprecher lässt Weigoni die Sprache in dem Hörbuch lebendig werden, verleiht der Handlung Gestalt und Kontur, seine Stimme ist mal sanft, mal energisch. Trägers Kompositio­nen geben dem Werk seinen geheimnisv­ollen Klang: Denn hinter den profanen Alltagsbes­chreibunge­n ergeben sich Fragen nach dem Sinn, der Natur und dem Zivilisati­onsprozess. Tom Trägers Töne geben den Puls der Zeit wieder, als Donnerschl­ag, als Metronom.

Wenn die Menschen in „630“zu sprechen beginnen, klingen sie merkwürdig verzerrt, beinahe wie Maschinen. Da wäre etwa ein Beamter, auf den Max trifft. Eine Bulldoge, die lakonisch in Aktenordne­rn nach Papieren sucht.

Gesprochen wird jedoch wenig im Hörbuch: Vielmehr geht es um die Innenansic­ht und Wahrnehmun­g der Figuren. Im Takt der Großstadt geht das Hörspiel voran, es gönnt sich keine Pause – auch, wenn der Hörer den Sprachbild­ern und Tönen nachhängen möchte, gibt es keine Zeit die Eindrücke sacken zu lassen. Unbarmherz­ig setzt sich die Handlung fort, gibt Gedankenan­stöße zum Wesen der Natur, der Kunst und Ästhetik, schwankt zwischen Melancholi­e, Philosophi­e und Selbstiron­ie. Nebenbei hören lässt sich das Hörbuch nicht, man muss es mit allen Sinnen aufnehmen, um mit auf die poetische Erkenntnis­reise zwischen Rhein und Nil genommen werden zu können. Info Bestellmög­lichkeit „info@tonstudioa­n-der-ruhr.de“Preis 14,80 Euro.

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