Düsseldorf Alaaf
Der Wahl-Kölner Stefan Worring war in der Landeshauptstadt bei einer Herrensitzung, beim Biwak und in der Kneipe.
„Ich kumm us däm Dorf öm dä Dom röm“
Kasalla, „Stadt met K“
Schöne Helena, wo bleibst du? Schon zwei Nummern sind ohne dich gelaufen. Noch sind die 650 Herren geduldig, die an langen Tischen sitzen und sich das Bier aus Pittermännchen selber zapfen. Sonntagmorgen, 10.21 Uhr in den Düsseldorfer Rheinterrassen, die Herrensitzung eines Vereins läuft seit einer halben Stunde. Eine Kleiderordnung scheint es nicht zu geben: Anzugträger mit Narrenkappen treffen auf Clubs mit bedruckten Shirts, so manches scheint bei der letzten Wäsche eingegangen zu sein. Kostüme sind selten, der Altersdurchschnitt ist Ü 50.
Wiljo Mooreen und seine Kumpels aus Dormagen haben FC-Trikots an, fahren zum Karneval mal nach Köln, mal in die Landeshauptstadt. „Macht Spaß hier, die Redner sind okay“, sagt er, „nur Musik können sie in Düsseldorf nicht.“Und Büttenredner Jens Singer ergänzt: „Die Düsseldorfer hören einfach besser zu als die Kölner“, lobt der hauptberufliche Regierungsdirektor, der zwar heute nicht auf dem Programm steht, der aber zwischen NSA- und Amri-Ausschuss als „Dä Schofför der Kanzlerin“durch die Säle beider Städte zieht.
Und dann kommt sie doch noch, die schöne Helena, das Nummerngirl, in schwarzer Wäsche und auf High Heels – die Rheinbahn hatte Verspätung. Der Saal johlt. „Ruhig, sie kommt ja gleich wieder“, freut sich der Sitzungsleiter und kündigt Oli, den Köbes, an, der knallhart beim Thema bleibt und über Sex witzelt, Selbstbefriedigung, Bordelle und äh – Sex. Der Mann verkauft das gut, aber da wundert sich der Kölner schon etwas, sowas hat er im Gürzenich noch nicht erlebt.
„Denn ich bin nur ne kölsche Jung“
Brings, „Kölsche Jung“Im dichten Schneetreiben geht es zum Funkenbiwak der Prinzengarde auf den Marktplatz. Musik von Höhnern, Brings oder Querbeat begleitet vom Band die Auftritte der Korps und Tanzgruppen. Wir bekommen erste Nachhilfe im Düsseldorfer Karneval, denn der Tonnenbauer nebst -bäuerin und Garde aus Niederkassel zieht mit großer Entourage in Klompen (= Holzschuhe) auf. Mit der Tonne, einer Art Fass auf Schubkarre, hat man früher auf den Feldern die Gülle verteilt. Noch heute gibt es Karnevalssonntag ein Tonnenrennen. So sieht Tradition aus. Die wohl dem Wetter geschuldeten nur etwa 200 bis 300 Besucher applaudieren zurückhaltend, aber freundlich. „Der Düsseldorfer tut sich schwerer“, sagt Hannelore Löffler, „er feiert, wenn die Zeit da ist. Wir müssen erstmal warm werden.“
Auftritt Prinz Carsten und seine Venetia Yvonne beim „größten rheinischen Gardetreffen“: Sie fahren mit staatsmännisch schwarzen Mercedes-Limousinen vor und werden von einer kleinen Equipe zur Bühne eskortiert. Man lobt sie „für die unendliche Freude“, die sie verbreiten, gratuliert ihm zum dritten Kind und ihr zum heutigen Geburtstag. „Düsseldorf, Helau!“Artig bedankt sich Yvonne: „Ihr tragt uns durch die Säle.“Das gerät alles so kühl wie die Außentemperaturen, vielleicht liegt es auch an den 19 (!) Auftritten, die das Paar am Vortag zu bewältigen hatte. In den Abgang der Tollitäten platzt der Spielmannszug der Kölschen Funken rut-wieß, gefolgt von einem 100köpfigen Aufgebot. Markus Ritterbach, Ex-Präsident des Kölner Festkomitees und heute Kommandant, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen: „Dass wir hier in der Überzahl sind, konnten wir nicht ahnen.“
„Drink doch eine met, stell dich nit esu an“
Bläck Fööss, „Drink doch eine met“Weiter geht es zum „Närrischen Frühschoppen“im „Goldenen Kessel“, dem Stammhaus der Brauerei Schumacher. Hier herrschen Zustände wie auf dem Kölner Autobahnring, es droht der Kollaps. Wir treffen seine Durchlaucht, Sellerieprinz Manfred I. (54). Er schwärmt vom großen Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly, vom kleinsten Zug der Stadt in Itter („Drei Wagen, fünf Fußgruppen, super!“). Oder Eva Hlouschek (30), die für ihre Bürgerwehr einen Brauch wiederbelebt, der 54 Jahre ruhte: das Gerresheimer Grafenpaar. Die smarte junge Frau ist beruflich in der Computerbranche unterwegs, und liebt in der Freizeit das Abtauchen in die Traditionen des Karnevals. Oder Jochen Kücking (84), seit vielen, vielen Jahren Stammgast im Schumacher. „Rivalität mit Köln? Ist doch alles Quatsch“, sagt er, das sei „künstlich gemacht wie bei Schalke und dem BVB“.
In der Kneipe kommt alles zusammen, hier ist man nah an der Ursuppe des Karnevals. Hier kann der, der sich darauf einlässt, erleben, warum rheinischer Karneval Weltkulturerbe ist, ob Heimathirsch oder Imi, ob Düsseldorfer oder Kölner. Der Autor Stefan Worring (59) ist Fotograf und stellvertretender Kölner Lokalchef. Er hat einen Bildband über Karneval veröffentlicht und gehört seit vielen Jahren zum Jecken-Team des „Kölner StadtAnzeiger“.