Auch Merkel muss kämpfen
Die Krise der SPD alarmiert die Partei der Bundeskanzlerin. Nicht nur aus Sorge um die Groko, sondern auch um die eigene Basis.
BERLIN Die Seismografen in Angela Merkels CDU sind im Alarmmodus. Sie messen die Erschütterungen des Bebens bei der SPD, die bis in die eigene Partei reichen. So wackeln gestern auch Wände im Konrad-Adenauer-Haus und im Kanzleramt. Denn der von Sozialdemokraten erzwungene Verzicht ihres scheidenden Parteivorsitzenden Martin Schulz auf das in den Koalitionsverhandlungen erstrittene Außenministerium könnte noch etwas anderes auslösen: eine neue Welle der Kritik an Merkel.
Schon bevor die Nachricht vom Aus für Schulz bekannt wird, verschickt die Junge Union mit Blick auf die eigene Partei eine Pressemitteilung, wie man sie lange nicht mehr von der Nachwuchsorganisation gelesen hat. JU-Chef Pauk Ziemiak spricht „vom ungerechtfertigten Ergebnis der Ressortverteilung und den Spekulationen um die personelle Besetzung der CDU-Ministerien“. Die Unzufriedenheit an der Basis sei sehr groß.
Ziemiak spielt auf eine Kabinettsliste von Stand Mittwochmittag an, in der die Namen der CDU-Politiker genannt werden, die Minister werden sollen. Neu ins Kabinett kämen demnach zwei in der Partei beliebte Frauen, Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz und Annette WidmannMauz aus Baden-Württemberg. Merkel hatte versprochen, dass das nächste Kabinett zur Hälfte aus Frauen bestehen werde. An Ursula von der Leyen will sie festhalten, ebenso an Peter Altmaier und Helge Braun. Jens Spahn (37), der Merkels Politik in den vergangenen Jahren mit am schärfsten kritisiert hat, ginge demnach leer aus in dieser Riege. Merkel reicht ihren Widersachern und ähnlich denkenden Unzufriedenen nicht die Hand.
Dafür hätten die Kanzlerin und etliche andere Christdemokraten während der geplatzten JamaikaVerhandlungen aber auch zu schlechte Erfahrungen gemacht, erzählt einer der oberen Unterhändler. Spahn habe auf üble Weise zusammen mit seinen Kumpels von CSU und FDP gegen eigene Partei- freunde agiert, heißt es immer und immer wieder. Ziemiak warnt aber: „Wir brauchen auf Minister- und Staatssekretärsebene eine personelle Erneuerung.“Es brauche einen Aufbruch, einen echten Markenkern, damit die Union in Zukunft wieder über 40 Prozent bei Bundestagswahlen erreiche. „Von einem solchen Aufbruch ist im Moment zu wenig zu sehen.“
Der Parteispitze schlägt auch regelrechte Wut vom Wirtschaftsflügel entgegen, weil Merkel bereit ist, das Finanzministerium an die SPD abzugeben und dafür das Wirtschaftsministerium zu nehmen. Dieses Ressort wird ausgerechnet von CDU-Wirtschaftspolitikern als macht- und kraftlos angesehen.
Hessens CDU-Chef und Ministerpräsident Volker Bouffier versucht, die Gemüter zu besänftigen, und schreibt seinen Parteimitgliedern in einem Brief, dass die CDU auf ihrem für den 26. Februar geplanten Bundesparteitag intensiv über den Koalitionsvertrag sprechen werde. Er wisse um die Enttäuschungen gerade über die Abgabe des Finanzmi- nisteriums an die SPD. Mit der Kritik werde jedoch „weit über das Ziel hinausgeschossen“. Keineswegs habe die CDU leichtfertig gehandelt. Es hätte nur die Möglichkeit gegeben, die Verhandlungen scheitern zu lassen, was monatelange Unsicherheit und politische Instabilität bedeutet hätte. „Sowohl innenpolitisch wie auch außenpolitisch wäre dies die schlechtere Alternative für unser Land und Europa gewesen“, verteidigt er.
CDU-Vorstandsmitglied Mike Mohring will das Fass aber noch