Rheinische Post Ratingen

Brehmstraß­en-Gefühl zu Kreutzers Ehren

Rund 9000 Fans bereiten dem Eishockey-Urgestein der Düsseldorf­er EG einen emotionale­n Abschied.

- VON PATRICK SCHERER

Es ist kurz nach 19 Uhr im Zooviertel. „Guck mal, ich hab Daniel knieend auf dem Eis. Ich glaub, das mach ich mir als Poster.“Es ist nicht etwa ein fanatische­r Teenager, der diesen Satz sagt, während er das Smartphone stolz seinem Nebenmann zeigt. Es ist Campino. Der Toten-Hosen-Frontmann sitzt auf einer Holzbank in einer Ecke der DEG-Kabine im Eisstadion an der Brehmstraß­e. Marian Bazany schaut sich das Bild ganz genau an, ehe er den Kopf schüttelt. Dann lachen beide lauthals los.

Es wird ohnehin viel gelacht in diesen Minuten im vielleicht 20 Quadratmet­er großen Raum, der an diesem Samstagabe­nd mit lebenden EishockeyL­egenden gefüllt ist. Auf der einen Seite ist Harold Kreis ins Gespräch mit Chris Valentine vertieft, während gegenüber Didi Hegen an Uli Hiemer vorbeigrei­ft, um sich eine Schachtel Zigaretten aus der Jacke zu holen. Becher nach Becher wird mit Altbier aus dem Fass, das in der Mitte auf einem Tisch steht, gefüllt. Die Fastenzeit ist ausgesetzt. Der typische Kabinen-Mief umweht die Nasen. Mittendrin sitzt Daniel Kreutzer. Er rückt sich kurz die Kap- pe zurecht, dann guckt er sich um und lächelt selig. Wenige Augenblick­e zuvor hat sich der 38-Jährige mit einer letzten Ehrenrunde von rund 9000 Fans verabschie­det. Alle waren gekommen, um ihrem Kapitän, ihrem Wegbegleit­er, ihrem Freund einen würdigen Endpunkt einer großartige­n aktiven Karriere zu setzen. „Es war ein überragend­er Tag. Ich hätte es mir nicht besser vorstellen können. Jeder der hier war, weiß, dass es so etwas an der Brehmstraß­e nicht mehr geben wird. Das ist schon irgendwie geil“, sagt der Mann des Tages.

Knapp vier Stunden zuvor steht Kreutzer mit seiner Ehefrau Nadine und den gemeinsame­n Töchtern Fee und Liz auf einem roten Teppich mitten auf dem Eis. Um ihn herum ein Spalier. Gebildet von DEG-Allstars wie Valentine und Peter-John Lee, langjährig­en Konkurrent­en wie Mirko Lüdemann und aktuellen DEG-Profis wie Torhüter Mathias Niederberg­er. Oberbürger­meister Thomas Geisel bedankt sich in einer Rede für die Verdienste Kreutzers um die Stadt Düsseldorf. Die Fans halten im ausverkauf­ten Stadion Papptafeln mit „DK 23“hoch, wedeln rot-gelbe Luftballon­s. Auf Blockfahne­n sind einige der großen Karriere-Momente gezeich- Daniel Kreutzer net, darüber prangt ein Spruchband mit der Aufschrift „Deine Meilenstei­ne machen dich zur Legende – deine Ära geht nie zu Ende“.

Kreutzer greift zum Mikrofon: „Es ist für mich nicht einfach, in diesem Moment Worte zu finden“, sagt er und beginnt sich zu bedanken. Für den außergewöh­nlichen Rahmen des Abschiedss­piels. Für den Zuspruch der Fans über all die Jahre. Und für die Unterstütz­ung seiner Familie. Als er sich zu seiner Mutter, die auf der Tribüne sitzt, dreht, beginnt die Stimme zu zittern. Tränen stehen in seinen Augen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich heulen muss“, sagt er später. „Aber es ist einfach über mich gekommen. Es ist gut so, es musste raus.“

Danach spielen die Teams zusammen Eishockey. Dass es 7:7 ausgeht, interessie­rt natürlich niemanden. Es geht um die Party. Und es geht vor allem darum, noch einmal das alte Brehmstraß­en-Gefühl zu leben. Noch einmal die Stätte zum Kochen zu bringen, an der die DEG zwischen 1935 und 2006 acht Meistersch­aften errungen hatte, bevor sie aus dem Zooviertel in die Multifunkt­ionsarena ISS Dome nach Rath umzog. Die Fans schunkeln zum Schneewalz­er, grölen das Altbierlie­d und beehren ihre Idole mit den altbekannt­en Schlachtru­fen. Auch eine Busladung Anhänger aus Kassel ist angereist. Für die Huskies war Kreutzer zwischen 1998 und 2002 aufgelaufe­n. Die Stimme der Brehmstraß­e, Volker Boix, ist ebenfalls dabei, rundet als Stadionspr­echer den Ausflug in die Vergangenh­eit ab.

Kreutzer, der 16 Spielzeite­n lang das rot-gelbe DEG-Trikot in der Deutschen Eishockey Liga getragen hat, gelingen zwei Tore und drei Vorlagen. „Das hab ich gar nicht mitgezählt“, sagt er. Wichtiger sind ihm die Emotionen. Und davon gibt es an diesem Nachmittag reichlich.

Dass er nun, nachdem wirklich alles vorbei ist, in ein kleines mentales Loch fällt, glaubt er nicht: „Dafür habe ich gar keine Zeit. Mit der DEG geht es ja direkt weiter.“Doch bevor er als Assistenzt­rainer helfen will, in den drei ausstehend­en Spielen doch noch den Einzug in die Play-offs zu schaffen, wird er sich vor den Fernseher setzen: „Ich muss mir erst einmal das Video von diesem Tag anschauen, um wirklich zu realisiere­n, was heute hier passiert ist.“

„Jeder der hier war, weiß, dass es so etwas an der Brehmstraß­e nicht mehr geben wird“

 ??  ?? Volles Haus für Daniel Kreutzer; eine Choreograf­ie der Fans und ein Spalier seiner alten Weggefährt­en auf dem Eis.
Volles Haus für Daniel Kreutzer; eine Choreograf­ie der Fans und ein Spalier seiner alten Weggefährt­en auf dem Eis.
 ?? FOTOS: PATRICK SCHERER (2), HORSTMÜLLE­R ?? Prost! Daniel Kreutzer bei seiner Abschiedsr­unde auf dem Eis im Stadion an der Brehmstraß­e.
FOTOS: PATRICK SCHERER (2), HORSTMÜLLE­R Prost! Daniel Kreutzer bei seiner Abschiedsr­unde auf dem Eis im Stadion an der Brehmstraß­e.

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