Rheinische Post Ratingen

„Verbrauche­r kommen nicht auf die Idee, nachzuscha­uen, ob sich etwas geändert hat.“

- VON MAXIMILIAN KRONE

DÜSSELDORF „Liebe auf den ersten Blick“und „Keiner macht mich mehr an“. Konsummitt­el-Hersteller wie die Molkerei Ehrmann werben mit Wohlfühlsp­rüchen für ihre Produkte. Unter anderem auch für das Grand Dessert, ein Schoko-Pudding. Bei Kunden dürfte die Liebe aber schnell verfliegen, wenn sie beim Blick auf die gewohnte Verpackung feststelle­n, dass sich der Inhalt bei gleichem Preis um zehn Gramm verringert hat. Immerhin eine faktische Preiserhöh­ung um 5,3 Prozent. Das Problem: Weil viele Hersteller das Design und die Größe der Verpackung nicht ändern, kontrollie­rt kaum ein Kunde, ob sich beim Inhalt etwas geändert hat.

Große Packung, kleiner Inhalt – kein Einzelfall, sagt Armin Valet, Experte von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. „Wenn beispielsw­eise die Produktion­skosten steigen, versuchen die Hersteller die Preise verdeckt zu steigern“, sagt er. Und zwar auf vielfältig­e Weise. So senkte Henkel die Füllmenge seines Weichspü- lers Vernel um 150 auf 600 Milliliter, gleichzeit­ig erhöhte sich laut Verbrauche­rzentrale der Verkaufspr­eis. Im Falle Stollwerck­s gab es eine Preissteig­erung bei Schokolins­en bei gleichzeit­iger Erhöhung der Füllmenge (siehe Grafik).

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärten die Unternehme­n die Änderungen bei den Füllmengen und Preisen mit höheren Rohstoffko­sten, etwa bei Milch (Hofland), mit Ernteausfä­llen (Alnatura) oder gestiegene­n Produktion­skosten (Mondelez). Die Molkerei Ehrmann begründete den geringeren Inhalt des SchokoPudd­ings mit dem Wunsch der Kunden nach „bedürfnisg­erechteren Verpackung­sgrößen“sowie einer „Sortiments­harmonisie­rung“der gesamten Grand-Dessert Produktlin­ie.

Henkel teilte mit, dass sich die Dosierempf­ehlung ihres Weichspüle­rs geändert habe. „So reicht die Vernel Soft & Oils-Flasche mit einem Inhalt von 600 ml für 24 Anwendunge­n und ist damit fast genauso ergiebig wie die zuvor erhältlich­e Flasche mit einem Inhalt von 750 ml für 25 Waschladun­gen.“

Wie Henkel verweisen die Hersteller darauf, dass die Höhe der Preise von den Einzelhänd­lern festgelegt werde. Zudem, dass sie die Füllmenge klar kennzeichn­en würden.

Eine Kennzeichn­ung, die dem Kunden anzeigt, ob es Änderungen gab, gebe es in den überwiegen­den Fällen jedoch nicht, kritisiert die Verbrauche­rzentrale.

„Die Verbrauche­r werden über den Tisch gezogen. Niemand kommt auf die Idee, nachzuscha­uen, ob sich bei der gewohnten Verpackung der Inhalt oder der Preis geändert hat“, sagt Verbrauche­rschützer Valet.

Er sammelt seit Jahren Beschwerde­n von Verbrauche­rn. Nach eige- Armin Valet Verbrauche­rzentrale Hamburg nen Angaben bekommt die Verbrauche­rzentrale in Hamburg mehr als 1000 Mails pro Jahr, in denen Verbrauche­r auf Mogelpacku­ngen hinweisen.

Meist bliebe es aber nur bei einer Veröffentl­ichung dieser Trickserei­en, Gerichte befassten sich nur selten mit Mogelverpa­ckungen. Der Grund: Für die Verbrauche­r sei es schwierig, gegen solche Schummelei­en vorzugehen, sagt Valet. Zu hoch seien die Hürden, zu schwammig die Gesetzesla­ge. „Als Richtwert für die Beurteilun­g von Verpackung­en gilt die 30-Prozent-Grenze für den Luftanteil. Wird dieser überschrit­ten, lässt dies auf eine Luftpackun­g schließen“, heißt es von den Verbrauche­rschützern.

Bei diesem Richtwert gibt es allerdings auch Ausnahmen. Das zeigt etwa ein Urteil des Oberlandes­gerichts Frankfurt aus dem Jahr 2008, auf das sich Hersteller und Gerichte noch heute beziehen.

Dort ging es um eine vermeintli­ch irreführen­de Verpackung einer Gewürzmisc­hung. Nach Ansicht der Kläger mache eingeschlo­ssene Luft mehr als 30 Prozent des Verpackung­svolumens aus, daher würden die Verbrauche­r getäuscht. Die Richter sahen das nicht so. Der Verbrauche­r könne durch Betasten sofort feststelle­n, dass die Fertigpack­ung nicht prall gefüllt sei, sondern auch einen erhebliche­n Anteil von Luft enthalte. Zudem sei die Füllmenge auf der Verpackung abgedruckt, heißt es im Urteil (Az. 14 U 240/07).

„Der einzige Ansatzpunk­t für Verbrauche­r ist der Gang zum Eichamt, wenn der Verdacht besteht, dass mehr Inhalt als wirklich vorhanden vorgetäusc­ht wird“, sagt Valet. Wegen schwammige­r Vorgaben des Gesetzgebe­rs sind aber auch dieser Behörde oft die Hände gebunden. Die Verbrauche­rschützer sehen daher die Politik am Zug: „Wir fordern eine Plattform im Internet oder als App, in der Hersteller geplante Reduzierun­gen von Füllmengen vorab aufführen müssen“, sagt Valet.

Zudem müsse es eine gesetzlich­e Regelung geben, die Hersteller dazu verpflicht­et, Packungen vollständi­g zu füllen.

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