Rheinische Post Ratingen

Goldman-Banker wird Staatssekr­etär

Goldman Sachs ist für manche der Inbegriff des Raubtier-Kapitalism­us. Ausgerechn­et Deutschlan­d-Chef Jörg Kukies wird nun Finanzstaa­tssekretär. Auch Werner Gatzer, gerade zur Bahn gewechselt, kehrt ins Ministeriu­m zurück.

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BERLIN (dpa/rtr) Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) sorgt mit gleich zwei Personalie­n für Wirbel: Er holt den Architekte­n der schwarzen Null, Werner Gatzer, als Staatssekr­etär zurück. Der 59-Jährige war erst vor kurzem vom Ministeriu­m zur Deutschen Bahn als Chef der Bahnhofssp­arte gewechselt. Und Scholz macht den Investment­banker Jörg Kukies zum Staatssekr­etär für Europa und Finanzmark­t. Der 50-Jährige ist Deutschlan­d-Chef von Goldman Sachs.

Die größte Investment­bank der Welt gilt manchen als Inbegriff des Raubtier-Kapitalism­us. Umso erstaunlic­her war es, dass Kukies dort Karriere machte – schließlic­h war er Anfang der 1990er Jahre als Vorgänger von Andrea Nahles Juso-Chef in Rheinland-Pfalz. Mitglied der SPD, in die Kukies vor mehr als 30 Jahren eintrat, ist er stets geblieben. Er gehört dem SPD-Wirtschaft­sforum an, das sich als „unternehme­rischer Berufsverb­and an der Seite der Sozialdemo­kratie“versteht. Bei Gold- man Sachs gehörte Kukies zu den jungen Bankern, die schnell Karriere machten. 2014 trat er als Co-Chef für Deutschlan­d und Österreich in die Fußstapfen von Alexander Dibelius, einem der wenigen Investment­banker hierzuland­e, die über die Branche hinaus bekannt sind. Doch in die Klatschspa­lten wie Dibelius kam Kukies nicht. Er hat sein gesamtes Berufslebe­n bei Goldman Sachs verbracht. Internatio­nal war Jörg Kukies (50) er von Anfang an: Der Pfälzer studierte an der Pariser Sorbonne und in Harvard. Ein Sommer als Praktikant in New York und London reichte, um ein Job-Angebot der Bank im Handel zu bekommen. Kurz vor seinem endgültige­n Einstieg bei Goldman promoviert­e Kukies 2001 an der Universitä­t Chicago. Der damals für den Wertpapier­handel zuständige Philip Holzer holte Kukies nach Deutschlan­d.

Dass ein Top-Banker mit Millionen-Gehalt auf einen viel schlechter bezahlten Posten als beamteter Staatssekr­etär wechselt, ist einmalig in Deutschlan­d. Als „sehr politisch, bauernschl­au und bodenständ­ig“beschreibt ihn ein Weggefährt­e. Grüne und Linke reagierten empört. „Scholz imitiert Donald Trump und macht die Brandstift­er zur Feuerwehr“, sagte Fabio de Masi (Linke). „Dass ein Sozialdemo­krat die Ver- antwortung für die Bankenregu­lierung einem Investment­banker anvertraut, zeigt die Probleme der SPD“, sagt Gerhard Schick (Grüne).

Kukies ist für Themen wie die EUBankenun­ion zuständig, bei der die Sparkassen eine gemeinsame Einlagensi­cherung ablehnen. Auch der Umgang mit Griechenla­nd und mit Pleite-Banken fällt in seinen Bereich. Der Chef des Bankenverb­andes, Andreas Krautschei­d, sagte: „Ich möchte seine Arbeitsauf­nahme nicht dadurch belasten, indem ich mich zu sehr freue.“

Auch auf den zweiten Staatssekr­etär freuen sich viele, schließlic­h ist er ein alter Bekannter. Werner Gatzer war bereits von 2005 bis 2017 Finanz-Staatssekr­etär und für den Haushalt zuständig. Er diente – was selten vorkommt – Ministern unterschie­dlicher Parteien, erst Peer Steinbrück (SPD), dann Wolfgang Schäuble (CDU). Das galt als Beleg für seine Expertise. Erstmals seit über 40 Jahren wurden 2014 keine neuen Schulden gemacht.

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