Rheinische Post Ratingen

4,77

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Niemand wird bestreiten, dass der Big Mac etwas Völkerverb­indendes ist. Weichbrötc­hen unten, darauf BigMac-Sauce, Zwiebelwür­felchen, Eisbergsal­at, Schmelzkäs­e, Rinderhack, wieder ein Brötchen, dann wieder Sauce, Würfelchen, Salat, Salzgurke oben drauf, dann kommt wieder Rinderhack, zum Schluss das Deckelbröt­chen mit Sesam – die Zutaten variieren rund um den Globus bestenfall­s marginal. Und darum taugt der „Doppel-Cheeseburg­er“(so sein ursprüngli­cher Name) wie kaum ein anderes Produkt für einen Vergleich von Kaufkraft rund um den Erdball – dachte sich jedenfalls in den 80er-Jahren Pam Woodall, Redakteuri­n der britischen Wirtschaft­szeitschri­ft „The Economist“. Seither ist der Big-Mac-Index mit einem einzigen Produkt der vielleicht einfachste Indikator für die Kaufkraft einer Währung. Dazu wird der aktuelle Preis eines Burgers in einem Land in den aktuellen Dollarkurs umgerechne­t.

Was die Kaufkraft angeht, ein Beispiel: In Deutschlan­d kostet der Big Mac umgerechne­t 4,77 Dollar, in den USA 5,28 Dollar. Das heißt: In Deutschlan­d müsste man nur 90 Cent für die Menge Big Mac zahlen, die in den Vereinigte­n Staaten einen Dollar kostet. Umgekehrt ist der Burger für deutsche Touristen in den USA ein teures Essvergnüg­en. Dagegen müssen Big-Mac-Käufer hierzuland­e fast dreimal so viel für den Burger geben wie in der Ukraine. In Osteuropa hat die Landeswähr­ung also eine weitaus höhere Kauf- kraft als der Euro in Deutschlan­d, aber wenn jemand aus Kiew oder Donezk sich den Big Mac bei einem USA-Besuch leisten will, wird’s richtig teuer. Das Gleiche gilt in abgemilder­ter Form für den russischen Rubel (2,29 Dollar je Big Mac). Die Amerikaner dagegen jubilieren, wenn sie die Burger-Preisschil­der in Westeuropa sehen, weil sie in diesen Ländern deutlich mehr Burger fürs Geld bekommen. Die Schweiz und Skandinavi­en sind dagegen auch ein Burger-Alptraum für Touristen aus Amerika.

Da beim Big-Mac-Index alle Preise in Dollar gerechnet werden, erkennt man auf Anhieb, ob eine Währung gegenüber dem Greenback über- oder unterbewer­tet ist. In unserem Beispiel wäre der Euro gegenüber dem Dollar um zehn Prozent unterbewer­tet – was den Schluss zuließe, dass der Euro-Kurs nicht wie gestern Abend bei 1,23 Dollar liegen müsste, sondern eigentlich bei 1,38 Dollar. Das wiederum würde bei deutschen Export-Unternehme­n natürlich einen Aufschrei auslösen, weil die Ausfuhren so teuer wür- den, dass die Verkaufsza­hlen der Anbieter in den Keller gehen könnten.

Zurück zum Big-Mac-Index. Der basiert auf der Theorie der Kaufkraftp­arität, die bis ins 16. Jahrhunder­t zurückreic­ht und später von Ökonomen wie dem Briten David Ricardo weiterentw­ickelt wurde. Diese Parität läge beispielsw­eise vor, wenn der Big Mac in Deutschlan­d das Gleiche kosten würde wie in Portugal. Zwischen den USA und Deutschlan­d wäre sie gegeben, wenn der Euro und der Dollar durch die Wechselkur­se dieselbe Kaufkraft hätten. Vereinfach­t ausgedrück­t: Wenn der Außenwert einer Währung, also der Devisenkur­s, mit dem Binnenwert übereinsti­mmen würde, wäre Kaufkraftp­arität erreicht.

So weit die Theorie. Wenn man die fortspinnt, würden die Amerikaner den Big Mac – wäre er kein Burger, sondern beispielsw­eise eine Auto-Marke – lieber in Deutschlan­d, in Portugal, am besten in der Ukraine kaufen, weil er dort deutlich preiswerte­r ist als in den USA. Kauften sie den Big Mac in Deutschlan­d, würde die höhere Nachfrage den Eurokurs nach oben treiben, bis die Kaufkraftp­arität erreicht wäre.

Dass das nicht passiert, liegt zum einen daran, dass man verderblic­he Ware aus naheliegen­den Gründen eben nicht jenseits des Atlantiks kauft. Außerdem hängt der Wechselkur­s einer Währung auch von den Entwicklun­gen an den Finanzmärk­ten ab, und da sind bekanntlic­h auch viele Spekulante­n am Werk, die Euro- oder Dollar-Kurs nach eigenen Wünschen beeinfluss­en wollen.

In den USA wurde der Big Mac 1968 zum ersten Mal verkauft. Er wird also in diesem Jahr 50. Zum Jubiläum haben sie sich im Big-Mac-Wucherprei­s-Land Schweiz etwas einfallen lassen. Die Eidgenosse­n bieten den Import aus den Vereinigte­n Staaten gleich in drei Größen an: als Mac Junior, als Big Mac und als Grand Big Mac. Letzterer kostet dann vielleicht umgerechne­t zehn Dollar. Vielleicht. In dem Fall würden die ersten womöglich doch lieber auf Berner Rösti oder Zürcher Geschnetze­ltes umsteigen.

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