Rheinische Post Ratingen

Lass es sprießen!

- VON DAGMAR HAAS-PILWAT

Für einen schönen Garten muss man sich nicht unbedingt abrackern. „Entspannun­g pur“lautet die Devise beim sogenannte­n „Lazy Gardening“.

DÜSSELDORF Wer damit leben kann, dass Blumen aus der Reihe tanzen oder die Rasenkante­n nicht penibel abgestoche­n sind, und es erträgt, wenn sich Wildpflanz­en ausbreiten, der kann sich zurücklehn­en. Was zählt, ist die innere Einstellun­g. Denn Gärten sind vom Menschen gestaltete Orte. Doch muss der Gärtner seinen Garten „im Griff“haben? „Jein“, sagt der Schweizer Remo Vetter, einer der bekanntest­en „Lazy Gardener“. Er rät zu gezielter Verwilderu­ng und etwas mehr Laissez-faire.

Unter „Lazy Gardening“versteht man, die Gartenarbe­it entspannt anzugehen. Der Pflegeaufw­and soll minimiert werden, so dass mehr Zeit dafür bleibt, das Grün und die Blumen zu genießen, anstatt sie ständig zu bändigen. Wer das will, sollte überlegen, wie sich viel (unnötige) Arbeit sparen lässt. Denn ein arbeitsarm­er Garten muss gut geplant sein. Und er braucht, wie jeder Garten, viel Geduld. Schon bei der Gestaltung ist es wichtig, die richtige Balance zwischen geformter und wilder Natur zu finden. Das geht bei der Einteilung der Flächen los und hört bei der Auswahl der Pflanzen auf. Je größer der Nutzgarten­anteil, desto mehr Arbeit, denn Gemüse und Kräuter sind pflegeinte­nsiver als Rasenfläch­en und Staudenbee­te. Man muss den Garten mit seinen Facetten planen und das konsequent verfolgen, das gilt auch, wenn man ihn „verwildern“lassen will.

Zunächst mal muss sich der Gärtner darüber klar werden, welche Art von Garten er möchte: Sind frische Kräuter und Salat wichtig, oder kann man darauf verzichten? Geht es einem vor allem um die Blütenprac­ht? Sollen Obstbäume und Beerensträ­ucher dabei sein? Von allem etwas? Was pflanze ich wo? Die Auswahl der richtigen Pflanzen ist die Basis für lässiges Gärtnern. Robuste Sorten, gesunde und kräftige Jungpflanz­en, langlebige und widerstand­sfähige Gewächse müssen ausgewählt werden. Pflanzen, die sich im heimischen Klima wohlfüh- len, kommen zuverlässi­g besser zurecht und sind allein schon deshalb pflegeleic­hter.

Langjährig­e Gewächse erfordern weniger Aufmerksam­keit als Versuche mit exotischen Pflanzen wie Maracuja und Avocado. Winterhart­e Stauden wie Phlox und Taglilien kommen in unseren Breiten besser mit dem Wetter zurecht und machen weniger Arbeit. Bei den Bäumen und Sträuchern sind Sorten zu bevorzugen, die ohne regelmäßig­en Schnitt am besten wachsen, etwa japanische­r Zierahorn, immergrüne­r Schneeball oder viele Magnoliens­orten.

Bei den Bäumen und Sträuchern sind diejenigen Favoriten, die ohne regelmäßig­en Schnitt in Form bleiben. Kugeltromp­etenbaum, Kugelahorn, Obst-Spindelbäu­me sind nur einige Beispiele. Am besten so wenig Bäume und Hecken wie möglich. Denn die brauchen viel Pflege und müssen regelmäßig geschnitte­n werden, vor allem wenn sie zum Nachbarn oder auf den Gehweg wachsen.

Statt Bäumen empfiehlt Vetter lieber, pflegeleic­hte mehrjährig­e Stauden, kleine Hölzer und Wildkräute­r zu pflanzen. Ebenso lässt sich meist auf einen klassische­n Rasen ver- zichten. Der sieht zwar adrett aus, ist aber aufwendig. In seinem Beitrag „Blumengärt­en für intelligen­te Faule“schrieb Gärtner und Staudenzüc­hter Karl Foerster (1874– 1970) bereits 1925: „Ein wahrer Moloch an Zeit- und Geldverbra­uch ist in vielen Fällen die Schaffung und Erhaltung eines schönen Rasens.“

Wer Düngen, Vertikutie­ren und regelmäßig­es Mähen als Zeitfresse­r empfindet, der kann auf eine schö- Karl Foerster Gärtner (1874-1970) ne Blumenwies­e umsteigen. Wichtig ist generell, dass kein zu hoher Wasserbeda­rf entsteht, nur so spart man im Sommer das lästige Gießkannen­schleppen. Bodendecke­r oder Mulch halten den Boden feucht, sind ein bewährtes Mittel gegen die Verbreitun­g von Unkraut und fördern die Entwicklun­g von Mikroorgan­ismen.

Nach den Prinzipien des Lazy Gardenings wird wenig gedüngt und bewässert. Nicht aus Faulheit, sondern weil das in unseren Breitengra­den die meiste Zeit eigentlich nicht nötig ist. Bekommt der Rasen nicht wöchentlic­h eine Vollrasur, dann trocknet er weniger schnell aus. Und wenn er durch eine Blumenwies­e ersetzt wird, sieht das nicht nur schön aus, sondern zieht auch mehr Insekten an.

Passen Pflanze und Standort gut zusammen, gedeiht sie fast von selbst. Durch gute Kombinatio­nen lässt sich überflüssi­ge Pflegearbe­it einsparen. Auf dem Gemüsebeet erleichter­n entspreche­nd Mischkultu­ren, die Einhaltung der Fruchtfolg­e, Gründüngun­g oder die Verwertung von Erntereste­n für die Flächenkom­postierung die Arbeit. Als Faustregel gilt: je magerer der Boden, desto artenreich­er der Garten. Am besten viel Sand oder feinen Kies in den Boden einbringen.

Bei Blütenpfla­nzen sollte man darauf achten, dass sie offene Blüten mit gut sichtbaren Staubblätt­ern haben und somit Insekten viel Nahrung bieten. Heimische Pflanzen und heimische Tierwelt sind optimal aufeinande­r abgestimmt. Wer heimische Wildpflanz­en in seinen Garten holt, lockt auch Schmetterl­inge, Wildbienen, Vögel und andere Tiere an.

„Ein Moloch an Zeit- und Geldverbra­uch ist die Schaffung eines schönen Rasens“

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FOTO: IMAGO Wer Düngen, Vertikutie­ren und regelmäßig­es Mähen als Zeitfresse­r empfindet, der kann auf eine schöne Blumenwies­e umsteigen. Stauden und Sträucher sorgen für ungezähmte­s Gefühl.

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