Seehofers Problem heißt Josefa Schmid
Sie steht als singende Bürgermeisterin im Bayerischen Wald für Dirndl- und Zwiebelturm-Idylle. Aber als couragierte Aufklärerin in Diensten des Flüchtlingsbundesamtes schien sie beim Bremer Skandal im Weg zu sein.
BERLIN Blond, Dirndl, Bayern-Idylle, und dann die klare Ansage im Musikvideo: „Weil du das Brennen in mir fühlst, brauch’ ich dich!“Vermutlich wünscht sich Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer derzeit sehnlichst, er hätte diese Liedzeile rechtzeitig ernst genommen. Vor allem, weil er sie mühelos im bayerischen Original versteht. Die Sängerin ist Josefa Schmid, 44 Jahre alt, Deutschlands derzeit bekannteste Dirndl-Trägerin – und inzwischen kaltgestellte Aufklärerin inmitten des Bremer Asylbehördenskandals.
Eigentlich hätte die Spitze des Innenministeriums das „Brennen“in ihr sofort fühlen müssen. Schließlich war die frühere Chefin der Deggendorfer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Januar eigens aus dem Bayerischen Wald als neue Leiterin der dortigen Bamf-Außenstelle nach Bremen entsandt worden, nachdem dort massive Unregelmäßigkeiten ans Licht kamen. Schmid wurde auch umgehend fündig und funkte bald zurück, dass es dort über Jahre nicht nach Recht und Gesetz zugegangen sei. Bereits am 25. Februar hatte sie einen 99 Seiten starken Bericht fertig, in dem von 3332 fragwürdigen positiven Asylentscheidungen die Rede ist.
Die erste Reaktion aus der Nürnberger Bamf-Zentrale habe einerseits aus Lob für die professionelle Arbeit, andererseits aus der Botschaft bestanden, in dieser Angelegenheit möglichst „geräuschlos“vorzugehen, berichtet Schmid. Aber „geräuschlos“ist ein Fremdwort für die ehrenamtliche Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde Kollnburg im Bayerischen Wald. Denn sie gibt „Musik machen“als Hobby an, ist in den einschlägigen Videokanälen als „singende Bürgermeisterin“mit dem Liebeslied vom Brennen in ihr präsent und hat ihr Album „Wir leben laut“genannt.
Insofern passt sie eigentlich zu ihrem Ministerpräsidenten, der das geräuschvolle Auftreten ebenfalls gut beherrscht. Über zwei Jahrzehnte war er sogar ihr Parteichef – bis sie sich mit der CSU überwarf und nun für die FDP in den bayerischen Landtag einziehen will. Eine solche Frau will weiter. Auch mit ei- ner Aufklärungsmission. Und wenn ihre eigene Behördenzentrale sie warnt, die Sachen nicht publik zu machen, dann kommt ihr unwillkürlich der Verdacht, dass in den Skandal von Bremen auch Personen in Nürnberg verwickelt sein könnten.
Deshalb versuchte sie umgehend, Seehofer zu erreichen. Aktenkundig bereits am Tag seiner Amtseinführung über den Ministeriumskontakt. Und laut Schmid auch per SMS. Dass er dies nicht wahrgenommen habe, wird inzwischen auch damit erklärt, dass der CSUChef beim Wechsel nach Berlin eine neue Handynummer bekommen habe. Doch in der Zeit der Kontaktversuche zu Seehofer hinterließ Schmid weitere Spuren, indem sie ihren Bericht auch Seehofers neuem Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) nach Berlin schickte.
Doch statt der Einladung in die Hauptstadt kam die Rückverset- zung in die Provinz. Genau so, wie es ihr angeblich aus Nürnberg zuvor angedroht worden war für den Fall, dass sie ihre Erkenntnisse weiter herumtrage. Schmid hält das für einen Racheakt und klagt nun gegen ihre Versetzung.
Längst werden in der CSU Parallelen zu einer anderen Frau gezogen, die in der Vergangenheit für einen anderen Ministerpräsidenten zum Problem wurde: Gabriele Pauli, die Landrätin, die Edmund Stoiber herausforderte und einen Ausspähversuch der Staatskanzlei gegen sich anprangerte, nachdem sie unbequem geworden war. Um Pauli ist es ruhig geworden, nachdem sie für die Freien Wähler in den Landtag eingezogen war und dann vergeblich als Bürgermeisterin auf Sylt kandidiert hatte. Aber nicht nur das Engagement einer Bayerin im Norden wird nun verglichen. So wie Pauli in Latex ins Fotostudio ging, hat Schmid freizügig für ein Erotik- magazin posiert. Allerdings wurden die Bilder jenes Probeshootings nie veröffentlicht.
Zudem wird Schmids Recherche in Bremen bestätigt – was den Charakter ihrer Strafversetzung zu einem Skandal im Skandal macht. Nürnberg lässt 18.000 Entscheidungen überprüfen. Zwei ins Visier geratene Rechtsanwälte sollen in Bremen 97 Prozent ihrer Fälle anerkannt bekommen haben. FDP-Chef Christian Lindner setzt auf einen Untersuchungsausschuss im Bundestag und hat seine Landtagskandidatin Schmid öffentlich in Schutz genommen. Das Agieren des CSUChefs wird damit zum Thema des bayerischen Wahlkampfs.
In ihrem Musikvideo tauscht Schmid das Dirndl gegen einen Bikini. Statt vor Alpenpanorama zu posieren, springt sie in einen See. Visionär? Jedenfalls besteht die Gefahr, dass Seehofer mit der singenden Bürgermeisterin baden geht.