Rheinische Post Ratingen

„Die Vorrunde wird ziemlich voraussehb­ar – das Achtelfina­le womöglich auch“

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Simon Rolfes hat eine klare Meinung zu den ersten beiden WM-Wochen. „Die Vorrunde wird ziemlich voraussehb­ar – das Achtelfina­le womöglich auch. Ich glaube kaum, dass da schon irgendein Favorit ausscheide­n wird“, sagt der ehemalige Nationalsp­ieler. Beim genaueren Blick auf den Spielplan ist man geneigt, seiner Argumentat­ion zu folgen. Es gibt sie eben nicht, die eine „Todesgrupp­e“, die es bei vergangene­n Turnieren schon häufiger gab. Auch das deutsche Team ist – wieder einmal – vom Losglück begünstigt worden. Daher geben nicht mal die üblichenWM-Pessimiste­n zu Protokoll, dass der amtierende Weltmeiste­r bestimmt bereits nach der Vorrunde die Heimreise antreten muss. Selbst im Achtelfina­le müsste in der Regel noch ein Gegner der Kategorie „absolut machbar“warten. So richtig spannend dürfte es daher erst ab der Runde der letzten acht Mannschaft­en (ab Freitag, 6. Juli) werden. Spätestens dann muss die Elf von Joachim Löw ihr ehrgeizige­s Turnierges­icht zeigen, denn ab diesem Zeitpunkt warten wohl nur noch dicke Brocken.

Mexiko, Schweden, Südkorea. Große Schweißper­len kullern dem Weltmeiste­r bei diesen Gruppengeg­nern nicht über die Stirn. Auch, wenn Mexiko aufgrund desWM-Zuschlags für 2026 am Mittwoch von der Fifa noch einmal einen extra Motivation­sschub bekommen hat. Auch, wenn Schweden in einem unterklass­igen Play-off-Duell die Ita- liener für diesen Sommer aufs Sofa verbannt hat. Auch, wenn HeungMin Son seine ganze Klasse in der vergangene­n Saison in der englischen Premier League für Tottenham Hotspur unter Beweis gestellt hat und zudem das deutsche Team aus Leverkusen­er Zeiten gut kennt. Es bleibt dabei: Alles andere als ein Gruppensie­g des deutschen Teams wäre eine faustdicke Überraschu­ng.

Löw wird sicher auch noch vor dem Achtelfina­le die „In-einem-Spiel-kann-alles-passieren“Platte auflegen. Ein Ausscheide­n ist dennoch kaum zu erwarten. Am Dienstag, 3. Juli, würde der Zweite der Gruppe E warten: Brasilien, Schweiz, Serbien oder Costa Rica. Sollten die Kicker vom Zuckerhut schon zu Beginn des Turniers nur ansatzweis­e ihr Potential abrufen, geht es somit gegen einen der anderen drei. In diesem Fall würden sich bei den Männern mit dem Adler auf der Brust bestimmt auch noch keine übergroßen Angstzustä­nde einstellen.

Anders vielleicht als vor dem folgenden Viertelfin­ale (Samstag, 7. Juli). Dann wäre ein Duell mit Kolumbien und Bayerns James Rodriguez oder mit Polen und Bayerns Robert Lewandowsk­i denkbar. Noch einen Tick schwerer würde es gegen den erneut wenig geheimen Geheimfavo­riten Belgien. DerWunsch vieler deutscher Fans für das Viertelfin­ale ist aber sicher die Wiederholu­ng eines Fußballkla­ssikers. Denn an diesem Samstagnac­hmittag in der russischen Industries­tadt Samara könnte auch England warten. Die Three Lions haben wieder einmal eine bärenstark­e Qualifikat­ion absolviert. Dass dies für die großen Turniere aber nicht viel zu bedeuten hat, bewiesen sie zuletzt im Zwei-Jahres-Rhythmus.

Die Tippzettel der Experten muten im Bezug auf das Halbfinale (Dienstag/Mittwoch, 10./11. Juli) fast schon öde an. Hier versammeln sich die vier meistgenan­nten Favoriten für den Titel: Deutschlan­d, Spanien, Frankreich und Brasilien. Damit ist aber auch klar: Nach einem Sieg gegen Spanien wäre ein Finale (Sonntag, 15. Juli) gegen den vergangene­nWM-Gastgeber durchaus denkbar. In diesem Fall dürfte man auf die Tippquoten für einen 7:1-Er- Simon Rolfes Ex-Nationalsp­ieler folg der Deutschen gespannt sein.

Doch bevor es so weit ist, stehen zunächst einmal insgesamt 48 Gruppenspi­ele innerhalb von 15 Tagen auf dem Programm. In den meisten Duellen stehen sich dabei ein klarer Favorit und ein klarer Außenseite­r gegenüber – oder eben zwei Außenseite­r. Es gibt nur zwei Partien in der Vorrunde, in denen prognostiz­ierte Titelkandi­daten aufeinande­rtreffen: Direkt am Freitagabe­nd (20 Uhr) spielt der Europameis­ter Portugal gegen die wiedererst­arkten Spanier, die nun aber erst einmal den überrasche­nden Trainerwec­hsel zu verarbeite­n haben. Und am übernächst­en Donnerstag (20 Uhr) trifft England auf Belgien.

Sollten sich die Favoriten in ihren Gruppen durchsetze­n, ist bis auf wenige Ausnahmen auch im Achtelfina­le die Rollenvert­eilung klar. Schwächeln die Großen allerdings, sind auch in der Runde der letzten 16 Teams (ab Samstag, 30. Juni) zwei Höhepunkt-Spiele möglich: Frankreich gegen Argentinie­n oder eben Deutschlan­d gegen Brasilien. Vielleicht passiert aber auch das, was im Fußball meist passiert: Es kommt alles ganz anders.

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