Rheinische Post Ratingen

„Marco ist wahnsinnig geschickt und intelligen­t, für jeden Gegner überrasche­nd“

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Joachim Löw der Siegerehru­ng seinTrikot­mit der Nummer 21 in die Kameras hielten, bekam er nicht mehr mit. Später schrieb er auf Twitter im internatio­nalen Gangslang der Großsportl­er: „Danke, Bro!“– Danke, Bruder!

Reus‘ Freude über den Titel war sicher nicht ungetrübt, denn eigentlich hätte er ja da unten im legendären Maracana-Stadion stehen müssen, im Trikot mit der 21. Der Spieler von Borussia Dortmund galt als feste Größe im Aufgebot von Bundestrai­ner Joachim Löw. Bis zum letzten Testspiel. In Mainz wollte sich die DFB-Auswahl gegen Armenien noch mal so richtig warmschieß­en für Brasilien. Das gelang, Deutschlan­d gewann mit 6:1. Aber das bekam Reus schon nicht mehr mit. Er war verletzt ausgeschie­den, und im Krankenhau­s wurde ein Syndesmose-Riss festgestel­lt. Damit war die WM gelaufen.

Das ist eine typische Reus-Geschichte. Wegen einer Schambeine­ntzündung verpasste er die Europameis­terschaft in Frankreich zwei Jahre später, immer wieder bremste ihn dermanchma­l offenbar überforder­te Bewegungsa­pparat. Er riss sich das Kreuzband, erlitt Faserrisse im Bereich der Adduktoren oder in der Oberschenk­el-Muskulatur. Und immer, wenn er mal wieder so richtig auf dem Sprung schien, warf ihn die nächste Verletzung zurück. Seit der Saison 2009/2010 zählten die allgegenwä­rtigen Statistike­r beim Fuß- ball-Arbeitnehm­erReus 826 Fehltage wegen Krankheit. In neun Jahren fiel er 2,26 Jahre aus. Ob das ein Rekord ist, hat bis jetzt niemand berechnet.

Sicher aber ist, dass Reus rekordverd­ächtig oft wieder aufgestand­en ist, wenn ihn andere am Boden wähnten.„Ich bin vonHaus aus niemand, der sich langemit Dingen befasst, die er nicht ändern kann“, hat er im Gespräch mit unserer Redaktion mal gesagt. Auch deshalb sind bei ihm Comebacks Routine. Andere mit seiner Krankenakt­e hät- ten vielleicht irgendwann gesagt: „Es reicht“, und sie hätten sich einen anderen Job ausgesucht.

Das steht für den Dortmunder Stürmer nicht zurDebatte. In Russland erlebt er deswegen mit 29 Jahren seine erste Weltmeiste­rschaft. Inzwischen trägt er die Nummer 11, und nach der vor allenDinge­n in der ersten Hälfte bestürzend­en Vorstellun­g der Mannschaft beim 0:1 gegen Mexiko ist der schnelle Mann vom BVB der Hoffnungst­räger für den taumelnden Weltmeiste­r. Bereits nach seiner Einwechslu­ng im Auftaktspi­el brachte er so etwas wie Bewegung in die Begegnung.

Und nun soll er mit seinen Läufen aus der vielzitier­ten Tiefe des Raumes die schwedisch­e Abwehr durcheinan­derbringen. Ganz Fußball-Deutschlan­d setzt auf Reus. Das habe er natürlich mitbekomme­n, sagt er in Sotschi. Er sagt es leise, wie er überhaupt kein Mann für die großen öffentlich­en Worte ist. An diesem Tag sitzt er ausgerechn­et neben Thomas Müller, der natürlich ein Mann für die großen öffentlich­enWorte ist. Und da fällt es

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