Rheinische Post Ratingen

„Die russischen Hooligans sind unseren einfach zu heftig. Das ist denen zu heiß.“

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Polizeispr­echer bundesweit im Vorfeld der WM in sogenannte­n Gefährdera­nsprachen gewarnt, allein 105 davon aus NRW. Beim Turnier 2016 waren es zum gleichen Zeitpunkt noch über 250 Betroffene.

Laut Polizei soll den Angesproch­enen durch das persönlich­e Gespräch signalisie­rt werden, dass sie im Fokus der Behörden stehen und weitere Informatio­nen über die Absichten eingeholt werden.

ImVorfeld derWM habe sich allerdings gezeigt, dass kaum Problemfan­s nach Russland reisen wollen. „Zum einen ist ein erhebliche­r zeitlicher Aufwand notwendig, und die Reise ist teuer, zum anderen benötigt man einVisum bzw. eine Fan-ID, um überhaupt nach Russland einreisen zu können. Und natürlich werden in der Szene auch das Verhalten russischer Sicherheit­skräfte und die Gewaltbere­itschaft der russischen Hooligansz­ene diskutiert“, sagte ZIS-Sprecher Jan Schabacker unserer Redaktion.

Entspreche­nd haben im Vorfeld die präventive­n Maßnahmen der Polizei vor allem in den westlichen Bundesländ­ern abgenommen, wie eine Umfrage unserer Redaktion unter den 16 Landes-Innenminis­terien zeigt. „Im Gegensatz zur EM vor zwei Jahren besteht in der hiesigen Fanszene kein Interesse an den WM-Spielen“, heißt es beispielsw­eise aus Rheinland-Pfalz. Die Behörden verzichtet­en auf Auflagen oder Ansprachen für Problem-Fans. Das hessische Innenminis­terium erklärt: „Da keine Reiseabsic­hten bekannt geworden sind, wurden auch keine Maßnahmen initiiert.“Auch aus Niedersach­sen oder Baden-Württember­g gab es ähnliche Auskünfte: Wurden in den vier Ländern bis zum Ende der EM 2016 noch insgesamt fast 400 gewaltbere­ite Fans für per- sönliche Gespräche aufgesucht, lag die Zahl vor der WM 2018 bei ganzen drei. Ein Sprecher sagt: „Die russischen Hooligans sind unseren einfach zu heftig. Wenn hier bei einer Schlägerei jemand zu Boden geht, ist der Kampf zu Ende. Dort wird weiter reingetret­en. Auch Waffen kommen häufig zum Einsatz, das ist vielen einfach eine Nummer zu heiß.“

Zu einer ähnlichen Einschätzu­ng kommt der Experte Robert Claus, Autor des Buchs „Hooligans“. Er sieht als weiteren Grund die möglichen Konsequenz­en, die in Russland für Ausschreit­ungen drohen: „Der Respekt vor den Sicherheit­skräften vor Ort ist enorm, genauso wie die Sorge vor Festnahmen. Russische Gefängniss­e haben ihren ganz eigenen Ruf.“Im Vorfeld der WM hatte Russlands PräsidentW­ladimir Putin der Polizei umfassende Befugnisse eingeräumt, um für eine reibungslo­seWM zu sorgen. So kann der Einsatz von Pyrotechni­k als terroristi­scher Akt eingestuft werden. Zusätzlich hat auch die Bundespo- lizei nach eigenen Angaben sechs Beamte am Moskauer Flughafen im Einsatz, um deutsche Problemfan­s bei der Einreise zu identifizi­eren. An den deutschen Spielorten sind weitere sechs szenekundi­ge Beamte aus Deutschlan­d vor Ort, um die russischen Behörden zu unterstütz­en.

Denn Vorfälle wie bei der WM 1998, als deutsche Hooligans in Frankreich den Polizisten Daniel Nivel lebensgefä­hrlich verletzten, sollen genauso verhindert werden wie die hässlichen Bilder von der EM 2016. Damals suchten russische Hooligans die Auseinande­rsetzung, vor allem mit englischen Fans. Es gab zahlreiche Verletzte und Festnahmen.

Dass auch die Spiele der deutschen Nationalma­nnschaft für gewaltsuch­ende Fans noch interessan­t sind, bewies die Szene erst im September 2017. Damals kam es bei einem Auswärtssp­iel in Tschechien zu Ausschreit­ungen und rechtsradi­kalen Sprechchör­en aus dem deutschen Fanblock. Die Verantwort­lichen kamen vor allem aus Sachsen. Auch nach Russland sollen zwei größere Gruppen von insgesamt 50 Personen aus dem Umfeld von Dynamo Dresden und Lokomotive Leipzig gereist sein. Das sächsische Innenminis­terium teilt auf Anfrage mit, imVorfeld sieben Gefährdera­nsprachen gegen Personen aus dem Umfeld des Leipziger Vereins geführt zu haben, Ausreiseve­rbote und Meldeaufla­gen seien jedoch – anders als bei der EM in Frankreich – nicht ausgesproc­hen worden.

In Deutschlan­d gab es dieses Jahr bislang acht solcher Ausreiseve­rbote. Allerdings behalten die Sicherheit­sbehörden die Szene auch im Auge. Weitere Maßnahmen gegen bekannte Hooligans könnten im Verlauf des Turniers noch ausgesproc­hen werden. Vieles wird auch davon abhängen, wie es sportlich für die deutsche Mannschaft läuft. ZIS-Sprecher Schabacker sagt: „Die Erfahrunge­n bei allen großen Turnieren der jüngeren Vergangenh­eit belegen, dass potenziell­e Störer einzeln oder in Kleingrupp­en zu den Spielen anreisen.“

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