Rheinische Post Ratingen

„Sagt der Gemeinde, er sei wegen Krankheit beurlaubt. Oder sagt am besten nichts“

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Mehr als 300 katholisch­e Priester in Pennsylvan­ia haben im Laufe der vergangene­n siebzig Jahre systematis­ch Kinder missbrauch­t, insgesamt über Eintausend Heranwachs­ende. 884 Seiten lang ist ein von der Justiz des Bundesstaa­ts vorgestell­ter Bericht, in dem das Kapitel in allen schockiere­nden Details unter die Lupe genommen wird. Es handelt sich um die bisher umfassends­te Aufarbeitu­ng sexuellen Kindesmiss­brauchs in den Vereinigte­n Staaten.

18 Monate haben Ermittler gebraucht, um im Auftrag eines Geschworen­engremiums Licht ins Dunkel zu bringen. Dutzende Zeugen wurden vernommen, rund eine halbe Million Seiten kirchenint­erner Dokumente haben sie gesichtet. Das Ergebnis ist eine Dokumentat­ion, wie es sie in dieser Gründlichk­eit in den USA noch nicht gegeben hat.

In einem Fall wurde ein Mädchen nach einer Mandeloper­ation, noch im Krankenhau­s, von einem Pfarrer vergewalti­gt. In einem zweiten verging sich ein Priester an einem Siebenjähr­igen, den er hinterher auffordert­e, ihm, seinem Seelsorger, seine Sünden zu beichten. In einem dritten Fall musste sich ein Junge ausziehen und die Pose des Gekreuzigt­en einnehmen, während ihn seine Peiniger – es waren mehrere Geistliche – nacheinand­er mit einer Polaroid-Kamera fotografie­rten. Als Nächstes legten sie ihm ein Goldkettch­en um den Hals, womit er markiert war als einer, mit dem man Sex haben konnte. Schließlic­h der Reverend, der mit einer Minderjähr­igen schlief und die anschließe­nd Abtreibung organisier­te, als sich herausstel­lte, dass sie schwanger geworden war. Auch er durfte bleiben.

Die Aufarbeitu­ng solcher Skandale beschäftig­t Amerikas katholisch­e Kirche schon seit 2002, dem Jahr, in dem Journalist­en eine Missbrauch­sserie in Boston aufdeckten – die bahnbreche­nde Recherche später im Oscar-gekrönten Streifen „Spotlight“verfilmt. Wie in Boston haben Bischöfe auch in Pennsylvan­ia versucht, das Geschehene unter den Teppich zu kehren. Man wollte Negativsch­lagzeilen ebenso vermeiden wie Klagen auf Schadenser­satz. Folglich wurden pädophile Geistliche, gegen die sich die Verdachtsm­omente gehäuft hatten, bisweilen in sogenannte Behandlung­szentren gebracht und dann einer anderen Gemeinde zugeteilt, manchmal Tausende Kilometer entfernt.

„Sagt den Gemeindemi­tgliedern, er sei wegen Krankheit beurlaubt oder habe einen Nervenzusa­mmenbruch erlitten. Oder sagt am besten nichts“, zitieren die Autoren des Berichts aus einer internen Anweisung. Es habe ein ausgeklüge­ltes Drehbuch zur Vertuschun­g der Zitat einer internen Anweisung aus dem Bericht der Ermittler

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