„Was in Genua passiert ist, ist nicht nur für die Stadt, sondern für ganz Italien eine tiefe Wunde“
Der blaue Lkw mit der grünen Plane steht immer noch da. Hoch oben thront er auf den Resten der Brücke. Wenige Meter vor ihm tut sich der Abgrund mit den in sich zusammengebrochenen Betontrümmern auf. Ein trauriges Fanal für die Katastrophe. Mindestens 39 Menschen sind beim Einsturz der Morandi-Brücke am Dienstagmittag bei Genua gestorben.
Luigi saß am Steuer, als die Brücke vor ihm unter einer riesigen Staubwolke einstürzte. „Ein Auto überholte mich, also stieg ich auf die Bremse“, erzählte der 37-jährige Fahrer des Lkws einer italienischen Zeitung nach dem Unglück. Wobei Unglück die Sache kaum trifft. Dass die Brücke in sich zusammenfiel wie ein Kartenhaus, ist kaum als Zufall zu bezeichnen.
Neben den bislang 39 Toten melden die Behörden 16 zum Teil Schwerverletzte. Fünf Leichen konnten noch nicht identifiziert werden. Die Feuerwehr sucht mit Suchhunden, obwohl es kaum Hoffnung auf Überlebende gibt. Mehr als 30 Autos und drei Laster sollen wie Spielzeug in die Tiefe gepurzelt sein und begruben Menschen unter sich. Die Trümmer stürzten auf Bahngleise und kaum besiedeltes Industriegebiet, sonst hätte es wohl noch mehr Opfer gegeben.
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte rief am Mittwochabend den Notstand in der Stadt aus. Der Ausnahmezustand soll für zwölf Monate gelten. Die Frage, ob es sich bei dem Einsturz um ein zufälliges, fatales Schicksalsereignis, eine „fatalità“handelt, verneinte Oberstaatsanwalt Francesco Cozzi. Seine Behörde ermittelt gegen Unbekannt. Es scheint eindeutig, dass menschliche Nachlässigkeit die 1967 eingeweihte und mehr als 1100 Meter lange Morandi-Brücke zum Einsturz brachte.
„Brücken stürzen nicht zufällig ein“, behauptet der aus Genua stammende italienische Star-Architekt Renzo Piano. „Sie sind Symbole.“Der Einsturz der Morandi-Brücke in Genua ist auch ein Symbol für die Nachlässigkeit Italiens mit sich selbst. Denn wer das Land in diesen Jahren erlebt und beobachtet, wundert sich kaum noch über derartige Ereignisse. Genua und Ligurien waren in den vergangenen Jahren Schauplatz verheerender Überschwemmungen, die der Natur angelastet werden, aber durch Klimawandel und Bauwut auch menschengemacht sind.
Die Hauptstadt Rom versinkt seit Jahren im Müll, Neapel erstickt in brutaler Kriminalität, seit einiger Zeit müssen Migranten als Sündenböcke der in Wahrheit extrem über sich selbst frustrierten Italiener herhalten. In Rom gehen wegen mangelnderWartung wöchentlich Busse in Flammen auf, es gibt eine Autobahnbrücke auf demWeg zum Flughafen, deren Stabilität nicht gewähr- Guiseppe Conte Ministerpräsident