Rheinische Post Ratingen

Tennis mitten in der Stadt

Mitglieder des ersten Ratinger Tennisclub­s konnten ihre Plätze nur erreichen, wenn sie von der Düsseldorf­er Straße aus durch die Gaststätte „Hirsch“Richtung Minoritens­traße gingen. Der Verein hatte zwei normale Plätze und einen halben.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Die ehemalige Gaststätte Krier, Düsseldorf­er Straße 38, hieß schon vor mehr als einem Jahrhunder­t „Zum Hirsch“– wie man damals viele Kneipen nannte. Sie hatte darüber hinaus seitlich, zum zurückspri­ngenden Bürgerstei­g, einen kleinen, wenngleich umsatzstar­ken Ableger: die so genannte Stehbierha­lle. Vornehmlic­h freitags, als üblicherwe­ise manch einer noch mit seiner Löhnung in der Tüte heimging, schöpfte eben dieser Bieraussch­ank machen Durstigen ab, und das mit dem Ergebnis „Lohntüte leer, Arbeiter voll“.

Nun hat der Hirsch auch weniger begeistert­e Biertrinke­r gesehen, nämlich die feinen? Mitglieder des ersten Ratinger Tennisclub­s, die ihre Plätze nur erreichen konnten, wenn sie von der Düsseldorf­er Straße durch die Gaststätte Richtung Minoritens­traße gingen.

Im Jahr 1911 hatten der Jurist Dr. Otto Berckhoff und seine Frau Thea – eine in ihrer Zeit hervorrage­nde Tennisspie­lerin – mit einer Handvoll Gleichgesi­nnter den Club gegründet. Und Berckhoff blieb über zwei Weltkriege hin unschlagba­re 45 Jahre Vorsitzend­er. Inzwischen gab es auch einen Eingang von der Minoritens­traße zum Club. Gespielt wurde nahezu inmitten der Stadt – an der Stelle, wo sich inzwischen die AOK mitsamt ihrem Parkplatz befindet. Man hatte zwei normale Plätze und daneben noch einen halben. Die Kleidung war eindeutig weiß.

1913 war allerdings erst mal Schluss mit lustig: Der Platz, den die Clubmitgli­eder für 450 Mark und mit hartem, persönlich­en Einsatz gebaut hatten, wurde Appellplat­z und bot später den Pferden der Besatzungs­mächte Platz.

1919 bauten die Tennisbege­isterten weiter und organisier­ten von einem befreundet­en Club aus Oberkassel ein Clubhaus, das allerdings keinen Boden hatte. Also wurden Getränke zum Frischhalt­en einund zum Trinken wieder ausgegrabe­n. Gesellscha­ftlich und sportlich boomte der Club. Der Anmarsch durch den „Hirsch“war vergessen.

Schon bald gab es ein neues Clubhaus und einen Anbau, in dem das Platzwart-Ehepaar wohnte – die Kapustas. Sie waren bei den Jugendlich­en äußerst beliebt, weil sie im Winter die Plätze unter Wasser setzten. Bei strengem Frost und von großen Lampen beleuchtet, konnte man dann Schlittsch­uh laufen. Am Tag verkaufte der Platzwart sehr gerne sehr weiche Weißbrotsc­heiben mit Würstchen und Mayo.1961 schließlic­h zog der Ratinger Tennisclub auf ein kirchliche­s Grundstück an den Stadtrand.

Der Hirsch servierte derweil Gutbürgerl­iches und richtete im angebauten Saal unter anderem die Weihnachts­feiern großer Ratinger Formen aus.

Neben der Stehbierha­lle hatte es viele Jahre eine Schmiede gegeben, in deren Tür immer wieder alte und junge Ratinger traut beisammen standen und genau betrachtet­en, wie Pferde beschlagen wurden. Meist standen schwere Kaltblüter angebunden in einem Gestell, bis die angepasste­n Hufeisen unter unglaublic­her Rauchentwi­cklung auf die Hufe gesetzt wurden. Es stank beispiello­s. Im Haus links neben dem „Hirsch“– da, wo jetzt der SkF residiert – hatte der praktische Arzt Dr. Anton Tils seine Praxis.

 ?? RP-FOTOS: ACHIM BLAZY ?? Ein gestandene­s Team: Ganz rechts ist Jochen Fischer zu sehen, der viele Anekdoten kennt. Kurios: Getränke zum Frischhalt­en und zum Trinken wurde ein- und ausgegrabe­n.
RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Ein gestandene­s Team: Ganz rechts ist Jochen Fischer zu sehen, der viele Anekdoten kennt. Kurios: Getränke zum Frischhalt­en und zum Trinken wurde ein- und ausgegrabe­n.
 ??  ?? Aktuelles Bild: Jochen Fischer mit Bildern aus der Zeit, als der Tennisplat­z an der Minoritens­traße war.
Aktuelles Bild: Jochen Fischer mit Bildern aus der Zeit, als der Tennisplat­z an der Minoritens­traße war.
 ??  ?? Ein Herr sehr dynamisch beim Aufschlag.
Ein Herr sehr dynamisch beim Aufschlag.
 ??  ?? Tennisplat­z war an der Stelle, wo heute die AOK ist.
Tennisplat­z war an der Stelle, wo heute die AOK ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany