Tennis mitten in der Stadt
Mitglieder des ersten Ratinger Tennisclubs konnten ihre Plätze nur erreichen, wenn sie von der Düsseldorfer Straße aus durch die Gaststätte „Hirsch“Richtung Minoritenstraße gingen. Der Verein hatte zwei normale Plätze und einen halben.
RATINGEN Die ehemalige Gaststätte Krier, Düsseldorfer Straße 38, hieß schon vor mehr als einem Jahrhundert „Zum Hirsch“– wie man damals viele Kneipen nannte. Sie hatte darüber hinaus seitlich, zum zurückspringenden Bürgersteig, einen kleinen, wenngleich umsatzstarken Ableger: die so genannte Stehbierhalle. Vornehmlich freitags, als üblicherweise manch einer noch mit seiner Löhnung in der Tüte heimging, schöpfte eben dieser Bierausschank machen Durstigen ab, und das mit dem Ergebnis „Lohntüte leer, Arbeiter voll“.
Nun hat der Hirsch auch weniger begeisterte Biertrinker gesehen, nämlich die feinen? Mitglieder des ersten Ratinger Tennisclubs, die ihre Plätze nur erreichen konnten, wenn sie von der Düsseldorfer Straße durch die Gaststätte Richtung Minoritenstraße gingen.
Im Jahr 1911 hatten der Jurist Dr. Otto Berckhoff und seine Frau Thea – eine in ihrer Zeit hervorragende Tennisspielerin – mit einer Handvoll Gleichgesinnter den Club gegründet. Und Berckhoff blieb über zwei Weltkriege hin unschlagbare 45 Jahre Vorsitzender. Inzwischen gab es auch einen Eingang von der Minoritenstraße zum Club. Gespielt wurde nahezu inmitten der Stadt – an der Stelle, wo sich inzwischen die AOK mitsamt ihrem Parkplatz befindet. Man hatte zwei normale Plätze und daneben noch einen halben. Die Kleidung war eindeutig weiß.
1913 war allerdings erst mal Schluss mit lustig: Der Platz, den die Clubmitglieder für 450 Mark und mit hartem, persönlichen Einsatz gebaut hatten, wurde Appellplatz und bot später den Pferden der Besatzungsmächte Platz.
1919 bauten die Tennisbegeisterten weiter und organisierten von einem befreundeten Club aus Oberkassel ein Clubhaus, das allerdings keinen Boden hatte. Also wurden Getränke zum Frischhalten einund zum Trinken wieder ausgegraben. Gesellschaftlich und sportlich boomte der Club. Der Anmarsch durch den „Hirsch“war vergessen.
Schon bald gab es ein neues Clubhaus und einen Anbau, in dem das Platzwart-Ehepaar wohnte – die Kapustas. Sie waren bei den Jugendlichen äußerst beliebt, weil sie im Winter die Plätze unter Wasser setzten. Bei strengem Frost und von großen Lampen beleuchtet, konnte man dann Schlittschuh laufen. Am Tag verkaufte der Platzwart sehr gerne sehr weiche Weißbrotscheiben mit Würstchen und Mayo.1961 schließlich zog der Ratinger Tennisclub auf ein kirchliches Grundstück an den Stadtrand.
Der Hirsch servierte derweil Gutbürgerliches und richtete im angebauten Saal unter anderem die Weihnachtsfeiern großer Ratinger Formen aus.
Neben der Stehbierhalle hatte es viele Jahre eine Schmiede gegeben, in deren Tür immer wieder alte und junge Ratinger traut beisammen standen und genau betrachteten, wie Pferde beschlagen wurden. Meist standen schwere Kaltblüter angebunden in einem Gestell, bis die angepassten Hufeisen unter unglaublicher Rauchentwicklung auf die Hufe gesetzt wurden. Es stank beispiellos. Im Haus links neben dem „Hirsch“– da, wo jetzt der SkF residiert – hatte der praktische Arzt Dr. Anton Tils seine Praxis.