Rheinische Post Ratingen

Hawaii: Für Sven Wies wird ein Traum wahr

Der Ratinger blieb bei seiner Ironman-Premiere unter neun Stunden und löste das Ticket für den berühmtest­en Triathlon der Welt.

- VON LARS WEISKE

RATINGEN SvenWies reißt die Arme in die Luft, ballt die Fäuste und schreit sich die Erleichter­ung von der Seele, als er beim Ironman in Barcelona nach 8:59:01 Stunden ins Ziel läuft. In seinem Premieren-Wettkampf über die Ironman-Distanz schaffte der Triathlet aus Ratingen mit einer Fabelzeit die Qualifikat­ion für den berühmten „Ironman Hawaii“

„Es gibt immer was Neues zu entdecken und ich muss nicht nur die Kacheln im Becken zählen“Sven Wies Ausdauer-Leichtathl­et

im nächsten Jahr. „Mein Ziel war es, unter neun Stunden zu bleiben. Ab der 35-Kilometer-Marke im Marathon war mir klar, ich schaffe das“, sagt Wies, „ab diesem Zeitpunkt war es für mich einfacher. Im Ziel habe ich Genugtuung gespürt und mich einfach nur gefreut.“

In diesem Moment konnte der 31-Jährige nicht ahnen, welche Achterbahn der Gefühle auf ihn zukommen sollen würde. Im Klassement war der Geschäftss­tellenleit­er des Handball-Regionalli­gisten SG Ratingen in seiner Altersklas­se (31 bis 34 Jahre) Vierter geworden und somit sicher auf Hawaii dabei – dachte er zumindest.

Nach purer Ekstase sowie zahlreiche­n Nachrichte­n und Glückwünsc­hen wurde der gebürtige Münsterane­r dann innerhalb weniger Augenblick­e zunächst aus seinem Traum gerissen. „Die Schiedsric­hter hatten sich vertan. Statt der vier Startplätz­e gab es auf einmal nur noch drei in meiner Altersklas­se. Ich war bitter enttäuscht“, berichtet Wies. Doch nach zweieinhal­b Stunden der Trauer durfte er sich ein zweites Mal freuen: „Es gab doch noch ein Happy End, weil der Brasiliane­r Leandro Leon Guerriere auf sein Hawaii-Startrecht verzichtet hatte.“

Die Ironman-Distanz ist für viele schon in der Vorstellun­g eine Höllenqual: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und zum Abschluss ein Marathon. Für Wies ist das jedoch ein Kindheitst­raum. „Als ich drei oder vier Jahre alt war, bin ich mit meinem Vater über die Ziellinie gelaufen. Etwas später habe ich mit ihm eine Liveübertr­agung des Ironman Hawaii gesehen. Das Schwimmen durchs offene Meer, bei brütender Hitze durch die Lavafelder laufen, das hat sich bei mir eingebrann­t“, erklärt der Ausdauersp­ortler.

Nach zwölf Jahren als Spieler beim Wasserball-Bundesligi­sten Duisburger SV 98 und zuvor als Spitzensch­wimmer der SGS Münster sowie als Wasserball­er beim SV Münster 1891 kam Wies zum Triathlon: „Ich wollte mehr Abwechslun­g. Drei Sportarten, die ich alle draußen betreiben kann, es gibt immer was Neues zu entdecken und ich muss nicht nur im Becken die Kacheln zählen.“Im Sommer 2017 setzte sich Wies mit seinem Trainer Sven Imhof und seiner Frau zusammen und entschied, Hawaii 2019 als Ziel anzupeilen zu setzen.

Mit viel Disziplin und Ehrgeiz erfüllte er sich seinen Traum, musste dabei jedoch viele Abstriche machen. „Die Familie ist schon sehr kurz gekommen. Zunächst habe ich 14 bis 18 Stunden pro Woche trainiert. Ab Mitte Juli waren es 18 bis 22 Stunden. Jeden Sonntag habe ich mich mit meiner Frau die Woche genau durchgepla­nt“, sagt Wies, der Vater zweier Kinder ist. Wie ist dieser enorme Aufwand neben der Familie mit dem Job zu vereinbare­n?

„Ich habe bei der SG Ratingen eine Sechs-Tage-Woche und kann mir meine 40 Stunden sehr gut aufteilen. Mal gehe ich morgens zum Laufen, manchmal laufe ich den Weg zur Arbeit. Es gibt ganz viele Möglichkei­ten, ich bin da sehr flexibel“, erläutert Wies. Eigentlich unvorstell­bar: Der Marathon in Barcelona war der erste, den Wies jemals gelaufen ist – und dann sogar in 3:11:21 Stunden. „Im Training bin ich maximal 32 Kilometer gelaufen. Mein Trainer hat gesagt, dass es reichen würde“, erzählt Wies mit einem Grinsen: „Ich hatte vor Barcelona zwar keine Bedenken, aber großen Respekt.“

Die komplette Ironman-Distanz hatte Wies zuvor im Training ebenfalls nie simuliert: „Zwei oder drei Mal bin ich 150 Kilometer Rad gefahren und 20 Kilometer im Wettkampft­empo gelaufen“, erklärt er. Und was sind nach dieser herausrage­nden Leistung in Barcelona die Ziele für Hawaii 2019? „Das hängt von den Bedingunge­n ab“, meint Sven Wies, „normalerwe­ise liegt die Temperatur bei über 35 Grad und die Luftfeucht­igkeit bei 100 Prozent. Zudem lässt der starke Wind so eine Zeit wie in Barcelona nicht zu. In zwei Wochen setze ich mich mit meinem Trainer zusammen. Vielleicht wird das Ziel ja dann, das Podest in meiner Altersklas­se zu erreichen.“

 ?? FOTO: SW ?? Schnell raus aus den Sachen: Sven Wies begann in Barcelona direkt nach dem Schwimmen mit den Vorbereitu­ngen für die folgende Strapaze auf dem Rad.
FOTO: SW Schnell raus aus den Sachen: Sven Wies begann in Barcelona direkt nach dem Schwimmen mit den Vorbereitu­ngen für die folgende Strapaze auf dem Rad.

Newspapers in German

Newspapers from Germany