Frankreich debattiert über Gewalt an Schulen
Nachdem ein Schüler seine Lehrerin mit einer Pistolenattrappe bedroht hat, schlägt der französische Bildungsminister Metalldetektoren vor.
PARIS Das Video dauert nur gut 30 Sekunden, doch es schockiert Frankreich nachhaltig. Zu sehen ist ein Schüler, der seiner Lehrerin in einem Gymnasium im Pariser Vorort Créteil eine Pistole an die Schläfe hält. „Trag mich anwesend ein, verdammte Scheiße“, fordert der zu spät gekommene Jugendliche die 60-Jährige auf, die vor ihrem Computer sitzt und nach außen hin ruhig bleibt. Hinter ihrem Rücken zeigt ein Mitschüler unter dem Gelächter seiner Freunde den Stinkefinger.
Die Pistole stellt sich hinterher als Attrappe heraus, doch die Empörung über diese im Klassenzimmer gefilmte Szene ist trotzdem groß. Zeigt sie doch, dass zumindest an manchen Schulen nicht die Lehrer, sondern die Jugendlichen das Sagen haben. Das Gymnasium Edouard Branly, das Bühne der Drohung war, gilt dabei gar nicht als Problemschule: Die Erfolgsquote beim Abitur liegt dort bei 95 Prozent. „Das demonstriert, wie sehr die Gewalt an Schulen inzwischen banal geworden ist“, schreibt die konservative Zeitung „Le Figaro“.
Das berichten auch die Lehrer, die sich unter dem Stichwort „Pasdevague“(keine Welle) im Kurznachrichtendienst Twitter Luft machen. Nicht nur über die Missachtung, die die Schüler ihnen entgegenbringen, sondern auch über die eigenen Vorgesetzten, die die Vorfälle unter den Teppich kehren. „Keine Welle machen“, laute das Motto. „Die Rektoren wollen nicht, dass solche Affären ihr Image belasten und das ihrer Schule“, sagt der Lehrer Yann der Zeitung „Le Parisien“. „Ich wollte einen Schüler vor die Tür stellen, da hat er mich angespuckt“, berichtet die Lehrerin Eva. Thibaud spricht von einem Kollegen, der auf seinem Schreibtisch eine tote Taube vorfand.
„Die Untersuchungen zeigen, dass weniger als ein Prozent der Lehrer körperlich angegriffen werden“, sagt der Soziologe Benjamin Moignard der Zeitung „Le Monde“. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Angriffe auch nicht mehr geworden. „Wir beobachten auf keinen Fall eine Explosion des Gewaltphänomens an den Schulen“, bemerkt der Spezialist für schulische Gewalt an der Universität Paris-Est-Créteil. Dagegen erlebten aber ein Drittel der Lehrer im Laufe eines Schuljahrs Beschimpfungen.
„Wir werden die Ordnung wiederherstellen“, versicherte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer, der als Musterschüler der Regierung gilt. Der einstige Leiter der Elitehochschule Essec verbot zu Schuljahresbeginn Handys in den Mittelstufen. Auch nach den Ereignissen in Créteil setzt Blanquer auf Härte. So spricht sich der 53-Jährige für gezielte Kontrollen mit Metalldetektoren und mehr Videoüberwachung in Klassenzimmern aus. Vor allem will der Minister erreichen, dass Angriffe auf Lehrer bestraft werden. „Wir sind nicht in einer Logik zu großer Nachgiebigkeit“, sagt er im Radio.