Mehr als nur der Schreibtisch des Ruhrgebiets
Gastbeitrag Eine Fotoausstellung im Gerresheimer Bahnhof dokumentiert die Eisen- und Stahlindustrie in Düsseldorf.
Ohne Zweifel ist Düsseldorf nach wie vor eine Industriestadt – obwohl eine Umfrage in der Fußgängerzone sicherlich ein anderes Bild ergäbe. Zu sehr steht das Klischee der „hauptsächlichen“Medien-, Messe-, Kunst- und Modestadt im Vordergrund und zu deutlich hat man sich seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit der Beschreibung als „Schreibtisch des Ruhrgebiets“angefreundet. Sie taugte sehr gut als Abgrenzung von der nördlichen Nachbarregion und vermittelte zudem das Bild einer wohlhabenden, zudem sauberen Kommune. Selbstverständlich steckt in dieser Zuschreibung und Selbstwahrnehmung eine gute Portion Wahrheit, denn nicht wenige der im Ruhrgebiet aktiven Unternehmer regierten ihre Firmen in der Tat von hier aus, einschlägige Verbände wählten hier ihren Sitz.
Gleichwohl entstand in Düsseldorf ab den 1860er Jahren eine hochbedeutende stahl- und eisenverarbeitende Industrie. Die Stadt bot zahlreichen Industriepionieren ideale Standortqualitäten: Anbindung an das Schienennetz und an den Transportweg Rhein, Grundstücke in der Nähe dieser Umschlagplätze und natürlich auch die Nachbarschaft zum Ruhrgebiet, von dem man die Rohstoffe zur Produktion beziehen konnte. Gleichzeitig verkauften hiesige Firmen ihre Produkte nicht zuletzt auch in das Ruhrgebiet, die wiederum im Bergbau eingesetzt wurden. Somit war Düsseldorf Schreibtisch und auch Werkbank des Ruhrgebiets.
Zahlreiche Fertigprodukte wie Straßenbahnen und Werkzeugmaschinen verließen hier ansässige Fabriken, Brücken wurden in Düsseldorf entworfen und vorproduziert, ganz zu schweigen von der (teils immer noch hier vorhandenen) Röhrenindustrie.
Dafür stehen Firmen, deren Namen heute noch präsent oder fast schon vergessen sind. An Mannesmann erinnert nicht nur eine Straßenbezeichnung, auch zwei prominente Bauwerke am gleichnamigen Mannesmannufer tragen die Erinnerung bis in die Gegenwart – und am ehemaligen Standort in Rath produziert die Firma Vallourec bis heute nahtlose Rohre. Aber es gibt auch wichtige Firmen, an die sich gegenwärtig vor allem nur noch jene erinnern, die dort arbeiteten oder ihre Ausbildung erfuhren – etwa die Maschinenfabrik Schiess-Defries, das mittlerweile in Krefeld ansässige Brückenunternehmen Hein Lehmann, die Vereinigten Kesselwerke und das Oberbilker Stahlwerk. Die Rüstungsfirma Rheinmetall hat zwar nach wie vor ihre Hauptverwaltung in Düsseldorf, ihre riesigen Produktionsareale in Derendorf jedoch restlos aufgegeben.
Der Förderkreis Industriepfad Düsseldorf und das Stadtarchiv Düsseldorf haben gemeinsam eine Ausstellung konzipiert, die im Event-Bahnhof Gerresheim die Geschichte der Eisen- und Stahlindustrie in der Fotografie ab circa 1900 bis in die Nachkriegszeit hinein dokumentiert. Luftaufnahmen von Produktionsstätten werden dort ebenso gezeigt wie Firmenansichten, Produktionsabläufe und Produkte sowie Verwaltungsgebäude. Zu diesem Zweck wurde der Fotobestand des Stadtarchivs auf entsprechende Aufnahmen durchforstet, auch dort befindliche Firmenarchive in den Blick genommen. Ein wesentliches Auswahlkriterium war ein besonderer Anspruch an die Aufnahmen: letztlich Industriefotografie bevor es sie im heute künstlerischen Sinne überhaupt gab. Zudem wird gleichzeitig eine bereits präsentierte Ausstellung zur Geschichte der Gerresheimer Glashütte nochmals gezeigt – ebenfalls mit Fotos aus dem Stadtarchiv.
Autor Benedikt Mauer ist Leiter des Stadtarchivs und Mitherausgeber des Ausstellungskatalogs.