Hafen Rotterdam dringt auf Betuwe-Linie
Der Betreiber des größten europäischen Hafens kritisiert in einem Mahnbrief an den Bund und NRW den schleppenden Schienenausbau.
ROTTERDAM Auf der Website der Deutschen Bahn gibt es ein Schriftstück, das für viele Niederländer derzeit wie Häme daherkommen dürfte. „Bindeglied für Europa“steht auf dem Titelblatt. Es geht in dem Dossier um den Ausbau der Betuwe-Linie, der direkten Schienenverbindung zwischen der deutsch-niederländischen Grenze bei Emmerich und dem westlichen Ruhrgebiet bei Oberhausen. „Die Ausbaustrecke ist Teil des wichtigsten europäischen Verkehrskorridors von Rotterdam nach Genua“, schreibt im Vorwort ein ranghoher Bahnbeamter.
Doch dieses so wichtige „Bindeglied“wird nur schleppend realisiert. So schleppend, dass der Betreiber des Rotterdamer Hafens, des größten europäischen Seehafens, nun einen Mahnbrief an das Bundesund NRW-Verkehrsministerium geschickt hat. In dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben heißt es: „Wir müssen mit größter Sorge feststellen, dass es seit Jahren keine signifikanten Fortschritte beim wirtschaftlich bedeutendsten deutsch-niederländischen Schieneninfrakstrukturprojekt, der Betuweverbindung, gibt.“Man habe in den Niederlanden 4,7 Milliarden Euro in die Verbindung bis zur Grenze investiert. Dieser Teil wurde 2007 in Betrieb genommen. Der Ausbau der gesamten Verbindung zwischen Ruhrgebiet und Amsterdam/Rotterdam wurde 1992 im Staatsvertrag von Warnemünde zwischen Deutschland und den Niederlanden vereinbart.
„Inzwischen neigt sich das Jahr 2018 seinem Ende entgegen und noch immer kann uns niemand einen offiziellen Eröffnungstermin bzw. ein geplantes Realisierungsdatum für den deutschen Streckenabschnitt, ABS 3. Gleis
Emmerich – Oberhausen, nennen“, schreibt Allard Castelein, Geschäftsführer des Rotterdamer Hafenbetriebs, an die Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU, Bund) und Hendrik Wüst (CDU, NRW).
In den Kommunen entlang der geplanten Strecke herrscht auf deutscher Seite große Sorge über den verstärken Güterverkehr, der mit Fertigstellung der Betuwe-Linie verbunden wäre. Insgesamt gibt es auf der Strecke zwölf sogenannte Planfeststellungsabschnitte. Um in diesen Bereichen bauen zu dürfen, bedarf es zunächst eines Genehmigungsverfahrens – und zwar für jeden Streckenteil. In solch einem Verfahren müssen alle Argumente, die für oder gegen das Bauvorhaben sprechen, abgewogen werden. Das betrifft zum Beispiel den Naturschutz oder privates Eigentum.
Bisher liegt der Deutschen Bahn lediglich in Oberhausen das Baurecht vor. Für die übrigen elf Planfeststellungsabschnitte steht die Erlaubnis noch aus. In dem Brief aus Rotterdam heißt es dazu: „Einzig der Verweis auf lange Planungsund Genehmigungsprozesse in Deutschland kann, darf und sollte uns 26 Jahre nach der grundsätzlichen Selbstverpflichtung zum Ausbau der Strecke im Vertrag von Warnemünde nicht zufriedenstellen.“
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst teilte auf Anfrage mit: „Die Kommunen an der Betuwe haben bei den Themen Lärmschutz und Brandschutz gut und erfolgreich mit der Bahn verhandelt und sind auch aktuell in guten Gesprächen. Aber wir müssen jetzt in die Umsetzung kommen.“Zum Zeitplan sagte der Minister: „Es ist nicht seriös abschätzbar, wann die Fertigstellung der Ausbaustrecke erfolgen kann, da nicht auszuschließen ist, dass gegen den Planfeststellungsbeschluss des EBA geklagt wird.“Das Eisenbahnbundesamt (EBA) entscheidet über das Bauvorhaben.
In niederländischen Regierungskreisen heißt es zudem, man sei nicht erfreut darüber, dass der Ausbau der Betuwe-Linie nur in einem Randaspekt während der Regierungsgespräche zwischen NRW und den Niederlanden am 19. November in Düsseldorf thematisiert werden soll. Der niederländische Premier Mark Rutte besucht an diesem Tag die Landeshauptstadt und trifft sich mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet. Eigentlich eine gute Gelegenheit, dieses heikle
Thema anzusprechen.