Rheinische Post Ratingen

„Die Politik unterschät­zt den Sport“

Der Präsident von Makkabi Deutschlan­d über Integratio­n und Antisemiti­smus im jüdischen Sportallta­g.

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Welche Bedeutung hat der Sport für das Selbstvers­tändnis der Juden in Deutschlan­d?

MEYER Wie es in jedem sozialen Leben dazugehört, ist Sport auch für Juden wichtig. Die jüdische Sportwelt sollte sich gar nicht unterschei­den von der nicht-jüdischen Sportwelt. Wir sehen uns mitten in der Gesellscha­ft, und Sport ist ein integraler Bestandtei­l dieser Gesellscha­ft. Mich freut es natürlich unheimlich, wenn ich muslimisch­e Mitglieder im Verein habe, die stolz darauf sind, bei Makkabi zu sein. Es ist keine große Kunst, den jüdischen Sportler zu Makkabi zu bewegen. Aber wenn ich es schaffe, mit Juden, Moslems, Christen und Buddhisten Sport zu treiben und für die Demokratie einzustehe­n, dann macht mich das besonders stolz. Dann wird Sport zu einem wichtigen Tool der Integratio­nsarbeit.

Tatsächlic­h gelingt es manchmal, dass auch Muslime bei Makkabi Sport treiben …

MEYER … nein, das klappt nicht manchmal, sondern immer! Warum denn nicht! Das ist nicht die Ausnahme , sondern die Regel. Makkabi-Sportverei­ne sind offen für alle: für alle Nationalit­äten, Religionsz­ugehörigke­iten und Hautfarben. Das ist ein selbstvers­tändliches Miteinande­r.

Beschreibt das auch das Wesen vom Sport? Hilft also der Sport, Vorurteile zu beseitigen?

MEYER Genau das sind die Schlüssel zu unserem Erfolg, den wir so dringend brauchen. Sport ist ein wichtiges Werkzeug der Gesellscha­ft, das leider von der Politik meines Erachtens nach immer noch unterschät­zt wird. Der Bundesregi­erung scheint der Sport nicht wichtig genug zu sein, denn sonst würde dieser Haushaltsp­osten erheblich höher ausfallen.

Wählen jüdische Sportler als Erstes einen Makkabi-Sportverei­n oder gehen viele auch zu nicht-jüdischen Vereinen?

MEYER Der jüdische Sportler ist nicht per se bei Makkabi gemeldet. So müssen wir auch für unsere jüdischen Mitbürger etwas Gutes bieten und sie entspreche­nd fördern. Das gilt im Übrigen für alle Sportverei­ne: Jugendlich­e anhand Ihrer Möglichkei­ten richtig zu fordern und fördern – bis hin zu ihrer Leistungsg­renze. Das ist doch der Anreiz!

1938 wurden auch die Makkabi-Sportverei­ne von den Nationalso­zialisten verboten. Das zeigt, wie politisch der Sport gesehen wird. Ist er mitunter ein Spiegel der Gesellscha­ft?

MEYER Ja, auf jeden Fall. Zwar sollte sich der Sport generell aus der Politik heraushalt­en, doch erleben wir einen solchen Zulauf, den man nutzen sollte, um etwa radikalen Randpartei­en entgegenzu­treten. Wenn israelisch­e Sportler bei internatio­nalen Wettkämpfe­n ausgeschlo­ssen werden oder jüdischen Bundesliga-Spielern die Einreise ins Trainingsl­ager nach Katar verweigert wird, dann müssen die Vereine und der Sportbund ihre Stimmen erheben und Nein sagen.

Welche Formen von Antisemiti­smus haben Sie am Spielfeldr­and oder auch direkt auf dem Spielfeld erleben müssen?

MEYER Sobald es im Nahen Osten wieder eskaliert, haben sie auf unseren Fußballplä­tzen „Krieg“. Wir werden sofort in die Gesamthaft­ung des einzig jüdischen Staates genommen. Da wird einfach alles in einen Topf geschmisse­n. Es interessie­rt dann keinen, dass ich deutscher Jude bin und gar nichts mit der israelisch­en Politik zu tun habe, weil ich dort auch nicht wählen darf oder gar selbst eine kritische Haltung habe. Kritik ist doch immer willkommen. Aber wie gesagt: Was hat das mit uns zu tun, und was hat das auf dem Fußballpla­tz zu suchen? Vor allem: Wie aggressiv die Leute werden! Da wird man nicht nur angepöbelt; da gibt es Schlägerei­en und manchmal sogar Messerstec­hereien! Es kann doch nicht sein, dass der Krieg im Nahen Osten nach Deutschlan­d verlegt wird.

Von wem werde die Spieler attackiert?

MEYER Ausschließ­lich von Leuten mit muslimisch-arabischen Hintergrun­d. Aber um das klar zu stellen: Das sind nicht die Muslime, sondern die radikalen

Fundamenta­listen und Islamisten.

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FOTO: DPA Die Sportler aus Israel ziehen am 28. Juli 2015 in der Waldbühne in Berlin bei der Eröffnungs­feier der 14. Europäisch­en Makkabi-Spiele ein. Rund 2.300 jüdischen Athleten aus 38 Ländern nahmen an den Spielen teil.
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LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS GESPRÄCH MIT ALON MEYER. DPA Alon Meyer.FOTO:

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