Die eiserne Lady aus Wesel
Mareen Hufe (40) lebt am Niederrhein, ist Büroangestellte – und nebenbei eine der besten Triathletinnen der Welt.
WESEL An diesem Morgen war Mareen Hufe wieder auf ihrer Lieblingsroute unterwegs. „Rund um den Auesee, das ist mein zu Hause“, sagt sie. Fast jeder Lauf führe an dem Gewässer mitten im kleinen Städtchen Wesel entlang. Heute: ein Zehn-Kilometer-Lauf mit Sprints. Hier am Niederrhein bereitet sich Hufe immer und am liebsten vor – auf die härtesten Triathlons der Erde.
Erst im Alter von 28 Jahren begann Hufe mit dem spezifischen Schwimm-, Lauf- und Rad-Training. Mit 33 Jahren ergatterte sie die Profi-Lizenz. Heute ist Mareen Hufe (40) eine der besten Triathletinnen weltweit: zahlreiche nationale Erfolge, neunmal Ironman-Podium und jüngst ein Sieg beim Ironman 2018 in Klagenfurt. Ihre Bilanz ist noch beeindruckender, wenn man bedenkt, dass sie Profisportlerin in Teilzeit ist.
Während wir sprechen, rollt Hufe ihre Muskeln auf einer Faszienrolle aus. Gleich geht das Training weiter. Die zweite Einheit findet im Heubergbad statt. Sie will pünktlich am Eingang sein. Hufe weiß, dass Rentner, Familien und andere Schwimmbadbesucher dann auch schon da sein werden. „Für ein vernünftiges Schwimmtraining muss ich die Randzeiten nutzen“, sagt sie. Sonst kann es durchaus sein, dass sie unter Querleinen tauchen oder die Bahn mit vielen anderen teilen muss. Eine eigene Bahn? Bekommt selbst ein Profi in der Provinz nicht.
Hufe erzählt all das im Plauderton, genervt wirkt sie nicht. Die Heimat zu verlassen, wie es etwa Ausnahme-Triathlet Jan Frodeno vor einigen Jahren getan hat, als er ins spanische Girona zog, das ist für die gebürtige Weselerin keine Option. „Ich bin nicht so aufgestellt, dass ich dem Sport alles unterordnen könnte. Ich habe hier Familie, Freunde und meinen Job.“
Hufe schafft es, zwei Leben gleichzeitig zu führen. Nach ihrer Bankausbildung schloss sie die Studiengänge Bankbetriebswirtschaft und internationale Wirtschaft ab. Sie spricht drei Fremdsprachen. In Teilzeit arbeitet sie bei einem Weseler Chemiekonzern. „Um Ziele zu erreichen, muss jeder seine Motivation kennen, die muss von einem selbst kommen“, sagt sie. „Ich mag meine Arbeit sehr und meistere gerne Herausforderungen.“Ihr eiserner Wille ist ein Grund dafür, dass Hufe zur Langdistanz gefunden hat – 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen. Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag (ganztägig)
Im Training ist sie am liebsten mit Sparringspartnern unterwegs. Beim Ironman-Rennen hingegen ist sie ganz auf sich gestellt. Auch das macht es so hart: die psychologische Qual, das alles alleine durchstehen zu müssen. Vor allem bei der Triathlon-WM auf Hawaii ist das Ehrensache. Der angesehenste Wettkampf in der Szene hat auch für Hufe einen besonderen Stellenwert. Nur die besten 40 Athleten dürfen daran teilnehmen. Hufe gehörte zuletzt immer dazu. 2017 belegte sie sensationell den elften Platz. In diesem Jahr wollte sie es endlich schaffen: in Kailua Kona die Top Ten erreichen.
Doch vor gut drei Wochen musste Hufe erneut den Bedingungen Tribut zollen. Die Schweizerin Daniela Ryf (31) holte sich im Eiltempo nach 8:26:16 Stunden den vierten Titel in Folge. Und Anne Haug (35) aus Deutschland freute sich bei ihrem Hawaii-Debüt über Bronze. Nach neun Stunden und 23 Minuten saß Hufe im Ziel. Erschöpft, erleichtert – und enttäuscht über Platz 13.
Genau wie die Siegerliste, führt die Schweizerin Ryf auch die Rangliste der erfolgreichsten Preisgeldgewinnerinnen des Jahres mit 201.000 Dollar an. Haug liegt mit 92.500 Dollar auf Rang fünf. Hufe taucht gar nicht auf. Wegen des Jobs startet sie vor allem bei regionalen Wettkämpfen mit kleinem Preisgeld. „Zeit ist ein wertvolles Gut“, sagt Haufe.
Ihre Lieblingsrennen in der Region sind nicht weit vom unteren Niederrhein entfernt. „Ich versuche, jedes Jahr in Köln auf der Mitteldistanz zu starten. Der Indeland-Triathlon in Aldenhoven entlang des Tagebaus ist super und hat ein starkes Starterfeld. Der Triathlon in Bocholt hat für mich Tradition, und mein Heimspiel in Wesel ist immer im September.“Die 40-Jährige hat trotz hohen Sportalters noch viel vor. „Ich habe später angefangen, also auch weniger Lebenskilometer als andere abgespult“, sagt Hufe, die sich in den vergangenen Jahren konstant gesteigert hat. Regeneration sei zunehmend wichtig. Hufe schläft auch viel, wenn sie nicht gerade in Konferenzen auf der Arbeit sitzt.
Tage nach unserem Gespräch reist Hufe dann doch in die Ferne. Zum Ironman nach Malaysia. Bei dem Rennen werden wieder extreme Bedingungen herrschen. Schwüle Hitze, ein 30 Grad warmes Meer. Und dann die höllischen Höhenmeter auf der Radstrecke. Hufe hat all dem in Langkawi schon getrotzt, zweimal ist sie Zweite geworden.
Am Samstag will Hufe gewinnen. Sie hat sich extra frei genommen.