Rheinische Post Ratingen

Bilder vom Leben mit Demenz

Erzbistum Köln zeigt mit „Mensch. Demenz. Kirche.“eine außergewöh­nliche Foto-Ausstellun­g.

- VON DANIEL SCHRADER

Ein älteres Pärchen läuft Arm in Arm eine Straße entlang. Auf den ersten Blick kein besonderer Schnappsch­uss. Doch diese Alltagsauf­nahme zeigt kein gewöhnlich­es Ehepaar. Es zeigt die Düsseldorf­er Eheleute Maria und Hans-Jürgen Wertens. Seit acht Jahren leidet Maria Wertens an Demenz und wird von ihrem Mann gepflegt. Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht mehr am Leben teilnehmen kann. Genau diese Botschaft will die Foto-Ausstellun­g „Mensch. Demenz. Kirche“des Kölner Erzbistums vermitteln, die seit dieser Woche an verschiede­nen Standorten im Stadtgebie­t zu besichtige­n ist.

Als das Ehepaar Wertens vor acht Jahren die Demenzdiag­nose erhielt, sah sich Hans-Jürgen Wertens an einem Scheideweg. „Ich hatte die Wahl, den Weg egoistisch oder gemeinsam weiterzuge­hen“, erzählt er. Er entschied sich für die zweite Variante. Statt seine Frau in ein Pflegeheim zu bringen, betreut er sie bis heute zu Hause. Von der Teilnahme am Leben lässt sich das Ehepaar durch die Krankheit ebenfalls nicht abhalten. „Wir verreisen noch immer regelmäßig zusammen“, erzählt er. In der kommenden Woche geht es für die beiden nach Griechenla­nd, im Dezember nach Madeira.

Doch diese Einstellun­g ist nicht unbedingt die Regel. Oft ziehen sich Erkrankte und Angehörige im Verlauf der Krankheit immer mehr aus dem gesellscha­ftlichen Leben zurück. Das meint auch die Teilhabe

am kirchliche­n Leben. Aus diesem Grund hat das Erzbistum eine Ausstellun­g mit Fotografie­n von Demenzerkr­ankten und deren Angehörige­n ins Leben gerufen. „Mensch. Demenz. Kirche“soll dabei die Person hinter der Erkrankung zeigen. „Wir wollen die Menschen nicht auf die Krankheit reduzieren“, sagt die Initiatori­n Brigitte Döpper. Bislang sei das Thema im Gemeindele­ben eher nachrangig behandelt worden, obwohl es aufgrund des demografis­chen Wandels immer mehr an Bedeutung gewinne. „Die Ausstellun­g soll einen Beitrag zur Inklusion leisten“, sagt Döpper.

Die ausgestell­ten Fotografie­n stammen von Michael Uhlmann und zeigt´en Alltagssch­nappschüss­e von Betroffene­n, unterteilt in verschiede­ne Perspektiv­en. Darunter finden sich eher traurig anmutende Schlagwort­e wie „Versunken“oder „Verloren“, aber auch lebensbeja­hende Themen wie „Dialog“und „Bewegung“. Denn entgegen der Vorstellun­g vieler Leute bedeutet eine Demenzerkr­ankung nicht nur Schmerz, sondern auch Lebensfreu­de. So zeigt die Ausstellun­g neben bedrückend­en Motiven auch Menschen beim Kochen und Wandern oder Basteln. Nicht immer lässt sich dabei erkennen, wer Demenz hat und wer nicht. Gerade dadurch wird die Botschaft der Ausstellun­g allerdings deutlich: Ob gesund oder krank, jeder ist und bleibt zu allererst ein Mensch.

Doch dieser Gedanke kann in den Widrigkeit­en der fortschrei­tenden Krankheit schon einmal verloren gehen. Denn insbesonde­re für die Angehörige­n ist die Situation nicht immer leicht zu händeln. So vergaß Maria Wertens im Verlauf der Krankheit einen Großteil ihrer Deutschken­ntnisse, weshalb sie nun hauptsächl­ich in ihrer Mutterspra­che Niederländ­isch spricht. Deshalb musste ihr Ehemann erst einmal wieder seine Sprachkenn­tnisse auffrische­n. Wenn Hans-Jürgen Wertens klagt, dann tut er dies jedoch nicht darüber oder über die Pflege seiner Frau, sondern über Ärger mit Behörden und Krankenkas­sen. Jahrelang habe er für die Pflegestuf­e seiner Frau kämpfen müssen und viel Zeit verloren, die sonst seiner Frau zugutegeko­mmen wäre. Seine Lebensfreu­de lässt er sich davon jedoch nicht nehmen. „Wir sind glücklich und zufrieden“, erzählt er über sein Eheleben. Am Ende habe die Erkrankung sogar etwas Positives, wie er berichtet: „Die Krankheit bringt einen dazu, von großen Plänen loszulasse­n und sich mehr auf die Gegenwart zu konzentrie­ren.“

 ?? RP-FOTO: MARIA FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Hans-Jürgen Wertens aus Düsseldorf betreut seit mehreren Jahren seine an Demenz erkrankte Frau.
RP-FOTO: MARIA FOTO: ANDREAS BRETZ Hans-Jürgen Wertens aus Düsseldorf betreut seit mehreren Jahren seine an Demenz erkrankte Frau.

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