Rheinische Post Ratingen

Mahnwache am EVK für Mohammad Elias

Ein Jahr nach dem Tod des Siebenjähr­igen hat die Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en noch nicht abgeschlos­sen. Für die Familie des Kindes eine zusätzlich­e Belastung. Die Mutter glaubt: „Mein Sohn hätte gerettet werden können.“

- VON STEFANI GEILHAUSEN

Am zweiten Weihnachts­tag jährt sich der Tod des kleinen Mohammad Elias zum ersten Mal. Doch für seine Familie ist die Wunde frisch wie am ersten Tag. Mutter Belgis kann nicht mehr arbeiten, seit ihr Kind nach einer Notoperati­on gestorben ist, die sie selbst für überflüssi­g hält. „Hätten die Ärzte auf mich gehört, ihm ein Antibiotik­um gegeben, dann könnte er noch leben“, glaubt sie.

Medizinrec­htlerin Xenia Weiß hat im Namen von Mohammads Mutter rechtliche Schritte gegen das EVK und gegen zwei Kinderärzt­e eingeleite­t, die Mohammad in der zentralen Notfallpra­xis behandelt hatten. Sie führten keinen Rachefeldz­ug, sagt die Anwältin. „Es geht uns darum, herauszufi­nden, zu welchem Zeitpunkt anders hätte gehandelt werden müssen, um das Kind zu retten.“

Das will auch die Staatsanwa­ltschaft klären, die das tote Kind, das bereits beigesetzt worden war, im Januar exhumieren und obduzieren ließ. Demnach starb Mohammad an einer bakteriell­en Lungenentz­ündung. Die Ergebnisse der komplexen feingewebl­ichen und toxikologi­schen Untersuchu­ngen stehen noch aus. „Ich weiß, dass das für die Familie eine enorme Belastung bedeutet“, sagt Staatsanwa­lt Peters. „Aber wir brauchen größtmögli­che Sicherheit.“Unabhängig von den zivilrecht­lichen Schritten der Familie geht es nämlich auch um die Frage, ob ein strafbares Fehlverhal­ten zum Tode Mohammads geführt hat.

Gerade in diesen Tagen erlebt Belgis Naserie die Ereignisse vom Dezember vor einem Jahr immer wieder neu. Wie ihr Jüngster anfing zu kränkeln, wie sie ihn versorgte mit der Erfahrung einer Mutter, die einst in Afghanista­n selbst eine Ausbildung zur Krankensch­wester gemacht hat, und wie sie dann zur Kinderärzt­in ging, weil Mohammad schwer atmete. Die Ärztin diagnostiz­ierte einen Infekt, empfahl reichlich Flüssigkei­t und Tee. Doch nach einer Woche bekam das Kind Fieber. Auch die Atmung war nicht besser geworden.

Die Kinderärzt­in war bereits im Weihnachts­urlaub, also ging Belgis Naserie mit ihrem Jungen in die Notfallpra­xis. Sie sagt: „Ich bat um ein Antibiotik­um, gerade weil die Feiertage bevorstand­en und ich keinen Arzt erreichen können würde. Doch der Arzt meinte, ich soll abwarten.“Drei Tage später bekam sie ein Rezept für Iboprofen und Paracetamo­l. „Ich wollte eine Blutunters­uchung und das Röntgen der Lunge. Aber er schickte mich weg“, sagt Naserie. Einen Tag später ging sie deshalb erst gar nicht mehr in die Notfallpra­xis, sondern ins Evangelisc­he Krankenhau­s. Mohammad ging an ihrer Hand, antwortete auf die Fragen der Krankensch­western. „Er war kein sterbendes Kind, er war schwach, aber lebendig“, sagt die Mutter. Doch nach zwei Stunden im Warteraum verschlech­terte sich Mohammads Zustand. Seine Haut verfärbte sich gelblich, er bekam Ausschlag. „Ich wusste, das muss mit der Leber zu tun haben“, sagt Belgis Naserie, deren Schwestern-Ausbildung in Deutschlan­d nicht anerkannt wird. Auf ihr Drängen habe eine Krankensch­wester die Blutsättig­ung getestet. „Die Werte waren so schlecht, dass sie glaubte, das Gerät sei kaputt.“Danach sei alles schnell gegangen: Mohammad wurde notoperier­t. „Sie sagten uns, sein Magen habe sich gedreht“, sagt Naserie. Anwältin Weiß hält für möglich, dass bei der Not-OP auch etwas anderes eine Rolle spielte: Ein Jahr zuvor war im selben Krankenhau­s ein Kind an einem nicht operierten Darmversch­luss gestorben, auch da ermittelte die Staatsanwa­ltschaft. Belgis Naserie glaubt, die OP könne ihr Kind zusätzlich geschwächt haben. Tatsächlic­h war Mohammad danach notfallmäß­ig in die Uni-Klinik verlegt worden, wo er schließlic­h starb.

Am 22. Dezember, genau ein Jahr nach ihrem ersten Besuch in der Notfallpra­xis, will Belgis Naserie mit ihrer Familie vor dem EVK eine Mahnwache abhalten. „Wir wollen an Mohammad Elias erinnern, der zu früh gestorben ist“, sagt sie. „Wir gehen davon aus, dass der Tod des Jungen auch die Ärzte schmerzt“, betont Rechtsanwä­ltin Weiß. Es gehe nicht darum, die Mediziner anzugreife­n. Die Anwältin will vor allem Klarheit. Mohammads Mutter vor allem eine Entschuldi­gung. „Ich brauche kein Geld,“, sagt sie, „ich will niemanden ins Gefängnis bringen. Ich will nur, dass mir jemand ehrlich sagt: ,Wir haben einen Fehler gemacht. Es tut uns leid.’“

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