Neuer Akzent in einer alten Siedlung
Schmal und schnörkellos: In Wersten baute eine Familie ein Haus, das sich anpasst und doch ganz anders wirkt als die Nachbarschaft.
Beim ersten Blick morgens aus dem Badezimmerfenster konnten sie ihre Baustelle sehen. Konnten beobachten, wie gegenüber ihr neues Haus langsam wuchs. Und als es schließlich fertig war, da brauchte die Familie keinen Umzugswagen, sondern ließ Möbel und Kartons einfach über die Straße tragen. So konnten sie die Vergangenheit in einem gemieteten Haus mit der Zukunft im Eigenheim leicht verknüpfen. Ein Glücksfall, denn ohne diese nachbarschaftliche Nähe hätten sie das Grundstück wohl gar nicht entdeckt — in einer alten Siedlung im Stadtteil Wersten.
Es fällt auf, dieses Haus. Es ist streng in der Form, betont schlicht und vollkommen schnörkellos. Keine Erker, keine Dachgauben, nichts. Dadurch wirkt es anders als die anderen Häuser der Siedlung, die überwiegend in den 1930er Jahren oder in den Nachkriegsjahren gebaut und immer wieder nach Lebenssituation und Geschmack ihrer Bewohner verändert, geteilt, vergrößert wurden. Ursprünglich existierte für das 400 Quadratmeter große Grundstück, ein ehemaliger Garten einer Doppelhaushälfte, gar kein Baurecht. „Es hat zwei Jahre gedauert, bis wir die Genehmigung hatten“, erinnert sich der Bauherr. Mit engen Vorgaben. Durch die besondere Grundstückssituation durfte der Neubau nur 6,50 Meter schmal werden, das sind eher die Standardmaße eines Reihenhauses.
Das neue Haus hat, typisch für die Siedlung, ein hohes, steiles Satteldach — es passt sich dadurch an, will seine Nachbarschaft nicht übertrumpfen. Und gleichzeitig distanziert es sich durch seine Modernität und durch markante Details: Die weiße, verputzte Fassade wird nur unterbrochen von dunklen Fensterrahmen — im Erdgeschoss durch ein schmales, querverlaufendes Fensterband als formaler Kontrast zum spitzen Dach. Im Eingangsbereich bekennt das Haus Farbe — mit einer 3,50 Meter hohen, knallroten Tür (neben einem dunkelgrauen Garagentor) aus Holz mit Aluminium beschichtet. Auch alle Innenwände des Hauses sind weiß verputzt. Mit einer Ausnahme: Im Eingang schimmert eine grau gemusterte Tapete der britischen Designerin Tricia Guild — beinahe wie ein kostbarer Brokatstoff.
Das Erdgeschoss öffnet sich zu einem großen Raum mit integrierter Küche und sparsamer Einrichtung: ein schlichter Esstisch, umgeben von den „Serie 7“-Stühlen des dänischen Designers Arne Jacobsen, zwei Stufen tiefer der Wohnbereich mit Blick in den Garten. Das raumbreite Fensterband ist in Kopfhöhe über der Küchenanrichte, also so hoch, dass die Familie zwar auf die Straße schauen kann, vor Blicken von außen aber geschützt ist. Da die vorgegebenen Maße dem Architekten Norbert Statwald nicht allzu viel Spielraum ließen, musste er sich kreative Lösungen einfallen lassen. So wurden das Gäste-WC und die Garderobe in einen Anbau verschoben, der wiederum Teil der Garage ist.
Das hohe Dach des Hauses wird im ersten Stock zum architektonischen Clou: Denn die beiden Schlafräume, eines zur Straße, das andere zur Gartenseite, reichen etwa fünf Meter hoch bis zur Hausspitze — das bedeutet: Schlafgefühl wie in einem Zelt. Zwischen den beiden Räumen (mit Einbauschränken an den Innenseiten) ist Platz für ein geräumiges Bad, das sich Eltern und Tochter teilen. Ein drittes Schlafzimmer, das als kombiniertes Arbeits-/Gästezimmer genutzt wird, wurde im Souterrain untergebracht. So kommt das schmale Haus dann doch auf über 140 Quadratmeter Wohnfläche. „Genug für drei Menschen“, finden die Bewohner.
Sie wohnen nun seit zweieinhalb Jahren in ihrem neuen Zuhause im Stadtteil Wersten und wissen: Die Entscheidungen, die sie gemeinsam mit ihrem Architekten Jochen Statwald getroffen haben, erwiesen sich alle als richtig. „Die Grundidee war:
Wir wollten wenig Wände und viel Licht“, erklärt der Hausherr. Sie entschieden sich außerdem, das Haus mithilfe einer Erdwärmepumpe zu beheizen, dadurch brauchten sie keinen Heizkamin, „auch der hätte uns optisch schon gestört“, finden sie.
Einhelliges Familienfazit: „Es fühlt sich mega-gut an, hier zu leben.“