Rheinische Post Ratingen

„Ich weiß, dass es Sexismus im Sport gibt – aber das hier ist keiner“

In Düsseldorf werden Plakate für eine Sportveran­staltung überklebt – weil sich manche an der Abbildung einer Sportlerin stören. Was sagt sie selbst dazu?

- VON HELENE PAWLITZKI

Zwei Plakatmoti­ve hingen bislang in Düsseldorf, um für das Leichtathl­etik-Meeting im Februar zu werben – nun wird eines von ihnen überklebt. Denn manchen Düsseldorf­ern – unter anderem einem CDU-Ratsherrn – war das Plakat zu freizügig. Das Foto zeigt die US-Stabhochsp­ringerin Sandi Morris kurz vor dem Anlauf von hinten. Die 26-Jährige ist amtierende Hallenwelt­meisterin. Wir haben sie per Twitter-Nachricht gefragt, was sie von der Debatte hält – und dokumentie­ren ihre Antwort hier im Wortlaut:

„Ich verstehe, warum manche finden, diese Fotoauswah­l sei sexistisch. Aber als die Person, die abgebildet ist, möchte ich erklären, warum ich anderer Meinung bin.

Wir haben die Auswahl zwischen verschiede­nen Team-Bekleidung­en und ich habe diese gewählt, weil sie die bequemste ist. Zum Sexismus gehört meiner Meinung nach auch, Frauen zu sagen, dass sie ihren Körper nicht zeigen dürfen, wenn sie es möchten. Ich wurde nicht gezwungen, dieses Outfit zu tragen. Ich fühle mich darin wohl.

Der wahre gesellscha­ftliche Wandel wird dann kommen, wenn Menschen sich das Foto einer Frau anschauen können, ohne es in Gedanken zu sexualisie­ren. Das Foto zeigt mich nicht in provokante­r Pose (etwa beim Vorbeugen, während ich meine Schuhe zubinde). Stattdesse­n zeigt das Bild eine starke weibliche Athletin, die sich konzentrie­rt. Das bin ich, wie ich mich auf den Sprung vorbereite.

Beim Stabhochsp­rung tragen wir nur unsere Namens-Leibchen auf dem Rücken. Der Meeting-Direktor der Veranstalt­ung hat mich um Erlaubnis gefragt, ob er dieses Foto verwenden darf, denn er wollte ein Foto zeigen, das meinen Namen zeigt. Wenn überhaupt, fühle ich mich geehrt, dass ich ausgewählt wurde, diese Veranstalt­ung zu repräsenti­eren. Dafür wären viele großartige Sportler infrage gekommen.

Ich möchte nicht naiv klingen. Denn ich weiß, dass es Sexismus im Sport gibt – und zwar überall. Aber das hier ist keiner. Das Sexismus-Problem geht viel tiefer als die Frage nach Frauen im Sport. Es geht darum, wie die Erwartunge­n an unsere Kleidung in allen Bereichen ist. Auf der Straße ist es normal für Frauen, kürzere Hosen als Männer zu tragen und mehr Haut zu zeigen. Wenn ein Mann so kurze Hosen trägt wie eine Frau, nehmen manche Leute automatisc­h an, er sei schwul. Ich möchte, dass diese Klischees in allen Lebensbere­ichen fallen. Manche Frauen entscheide­n sich dafür, die längere Sportbekle­idung zu tragen. Offen gesagt: Manche Fans machen sich dann auch wieder über sie lustig und nennen sie ‚butch’ (dt. ‚Kerl’, Selbstbeze­ichnung mancher lesbischer Frauen – Anmerkung der Redaktion). Was ich toll fände, wäre eine Welt, in der eine Frau – oder ein Mann – sich bedecken oder entblößen kann, ohne dass jemand sich darüber lustig macht.“

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FOTO: IMAGO Im September startete die WM-Zweite von 2017 beim Länderkamp­f „Berlin fliegt“.
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FOTO: D.LIVE Sandi Morris ist Hallenwelt­meisterin im Stabhochsp­rung. Das Plakat sorgte für Ärger in Düsseldorf.

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