Rheinische Post Ratingen

Von der Straße in die Wohnung

Viele Hausbesitz­er haben Vorbehalte dagegen, an Obdachlose zu vermieten. In der Praxis gibt es aber so gut wie keine Probleme.

- VON DOMINIK SCHNEIDER

Das Leben auf der Straße ist nie einfach, aber wenn es kalt wird, wird jede Nacht für die Düsseldorf­er Obdachlose­n zu einer Herausford­erung. Doch der Weg zurück in eine eigene Wohnung ist oft schwierig – trotz diverser Hilfsangeb­ote.

„Auf dem Düsseldorf­er Wohnungsma­rkt gibt es eine sehr geringe Fluktuatio­n, und wenn Wohnungen frei werden, sind sie meist groß und teuer“, sagt Hubert Ostendorf, Gründer und leitender Redakteur des Straßenmag­azins Fifty Fifty. Und selbst wenn man es schaffe, Menschen von der Straße in ein Mietverhäl­tnis zu bringen, gebe es den so genannten Drehtüreff­ekt: „Die Menschen wohnen zunächst betreut, dann alleine, kommen damit aber nicht zurecht und landen wieder auf der Straße“, erklärt Ostendorf. Deswegen verfolgt die Düsseldorf­er Obdachlose­nhilfe seit einigen Jahren einen neuen Ansatz: Housing First heißt das Konzept aus den USA, bei dem als erste Maßnahme eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Die weitere Betreuung kann dann mit der Gewissheit erfolgen, dass der Mensch die Nacht nicht im Freien verbringen muss. „Wir konnten in den letzten Jahren über 50 Menschen mit diesem Konzept eine Wohnung verschaffe­n und alle wohnen heute noch dort“, sagt Ostendorf stolz.

Das Problem, vor dem Ostendorf und die Hilfsorgan­isationen stehen, ist, geeignete Wohnungen zu finden. Die Unterbring­ung soll in ganz normalen Häusern sein, so dass die Nachbarn gar nicht wissen, dass der Neue von der Straße kommt. „In Düsseldorf leben etwa 500 Menschen auf der Straße, wir bräuchten mindestens 300 Wohneinhei­ten, um das Problem Wohnungslo­sigkeit zu lösen“, rechnet Ostendorf vor. Dieses Ziel scheint jedoch fern, auch, weil Hausbesitz­er Hemmungen haben, an ehemalige Obdachlose zu vermieten. Deswegen hat Fifty Fifty Wohnungen gekauft, um sie an die Menschen von der Straße zu vermieten. „Die Hausbesitz­er lehnen unsere Leute oft grundsätzl­ich ab“, sagt Ostendorf traurig.

Am Geld liegt das nicht: Ehemalige Obdachlose bekommen die Miete vom Jobcenter bezahlt. Viel eher sind es Vorbehalte gegenüber Menschen, die Jahre ihres Lebens auf der Straße verbracht haben. Johann Fliescher, Vorsitzend­er des Vermieterv­erbandes Haus und Grund in Düsseldorf, kann diese Bedenken verstehen: „Es ist ganz normal, wenn man befürchtet, ein ehemaliger Obdachlose­r könne die Wohnung schlecht behandeln oder seine Termine beim Amt versäumen, so dass er keine Miete mehr kriegt“. Solche Fälle seien in der Vergangenh­eit bereits vorgekomme­n, allerdings nicht bei Menschen, bei denen

die Betreuung nach dem Prinzip von Housing First geschehen sein, gibt Fliescher Ostendorf Recht.

„Es stecken ja persönlich­e Probleme und Schicksale hinter der Obdachlosi­gkeit, die sich nicht durch eine Wohnung lösen lassen. Deswegen ist es wichtig, die Menschen auch wenn sie ein Dach über dem Kopf haben, weiter zu betreuen“, sagt Fliescher. Daher findet er das Konzept Housing First gut. Was es nun brauche, sei ein Gesinnungs­wandel in den Köpfen der Vermieter. „Es gibt genug positive Beispiele, so dass jeder Hauseigent­ümer hinterfrag­en sollte, wie er zu ehemals obdachlose­n Mietern steht.“

Eine Alternativ­e, sagt Hubert Ostendorf, wäre es, wenn die Stadt Obdachlose mehr berücksich­tigen würde. „In jedem Neubau gibt es 30 Prozent Sozialwohn­ungen, aber die helfen Geringverd­ienern, nicht den Ärmsten der Armen“, sagt er. Gemeinsam mit der Diakonie hat Fifty Fifty deshalb an die Stadt geschriebe­n und fordert, einen Teil der Sozialwohn­ungen für Menschen mit Lebensmitt­elpunkt Straße zu reserviere­n.

Das lehnen die Verantwort­lichen jedoch ab. Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integratio­n, ist zwar ebenfalls der Meinung, dass bezahlbare­r Wohnraum geschaffen werden müsse, sagt jedoch, eine Reservieru­ng für bestimmte Gruppen sei nicht förderlich. Sie sieht trotzdem Handlungsb­edarf: „Der Wohnungsma­rkt in Düsseldorf ist sehr angespannt, und Obdachlose unterzubri­ngen, ist ein Baustein unserer Strategie.“Sie verweist auf städtische Projekte wie das Haus an der Heyestraße, eine ehemalige Flüchtling­sunterkunf­t, in der nun Obdachlose leben. Hier gebe es zwar oft die Kritik an der gebündelte­n Unterbring­ung, aber: „Auch wenn in dem Objekt nur ehemalige Wohnungslo­se leben, ist es dennoch in den Stadtteil integriert“, so Koch. „20 Wohnungen machen noch kein Ghetto.“

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FOTO: FIFTY FIFTY Mario lebte lange Zeit auf der Straße, mit Hilfe von Fifty Fifty konnte er eine eigene Wohnung beziehen. Probleme mit dem Vermieter gab es bisher nicht. Die Miete für die Wohnung kommt vom Arbeitsamt.

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