Meine Musterklage gegen Volkswagen
2,8 Millionen betrogene Diesel-Käufer können sich jetzt gegen Volkswagen zusammentun, um Schadenersatz zu erkämpfen. Unser Autor ist einer von ihnen und erklärt, wie man dabei vorgeht.
DÜSSELDORF Im August 2014 war die Welt noch in Ordnung. Deutschland war gerade Fußballweltmeister geworden, und ich erhielt eine Benachrichtigung vom Volkswagen-Händler vor Ort, dass mein neues Auto eingetroffen sei. Ein funkelnagelneuer VW Touran in schickem Metallic-Rot, passend zur WM in der Sonderausführung „Cup“. Ich hatte ein gutes Gefühl, schließlich hatte mich das Vorgängermodell, ausgestattet mit dem unverwüstlichen 1,9 Liter TDI-Motor, zehn Jahre lang nie im Stich gelassen. Und der Neue sollte ja noch besser sein: Gleiche Leistung aus 1,6 Litern Hubraum, aber deutlich sparsamer und angeblich auch sauberer. Was das Kürzel „EA 189“bedeutet, sollte ich erst ein paar Monate später erfahren.
2015 wurde klar, dass Volkswagen bei der Baureihe E 189 in großem Umfang manipuliert hatte. Der Diesel-Skandal kam ins Rollen, und ich war in guter Gesellschaft: 2,8 Millionen Diesel aus dem Hause Volkswagen gelten allein in Deutschland als betroffen. Irgendwann kam dann die Aufforderung, ich solle in der Werkstatt eine neue Software aufspielen lassen. Das habe ich brav gemacht. Seither schluckt mein Touran mehr Sprit, wenn auch nicht viel. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat er aber trotzdem ein paar Tausend Euro an Wert verloren. Denn auch die neue Software schützt mein Euro-5-Auto nicht vor möglichen Fahrverboten.
Grund genug, sauer auf Volkswagen zu sein. Nach Lage der Dinge hätte ich den örtlichen Händler verklagen müssen, bei dem ich den Wagen gekauft hatte. Doch der musste sich ja ebenso geleimt fühlen wie ich selbst. Also wartete ich drei Jahre lang vergeblich darauf, dass sich der größte Autokonzern der Welt zu einer Entschädigung seiner getäuschten Kunden durchringt. Das Warten hat nun ein Ende: Vor ein paar Tagen habe ich mich der Musterfeststellungklage gegen VW angeschlossen. Dafür muss man sich in ein Klageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen, und das geht schneller, als die Ausstattung eines Neuwagens zu konfigurieren. Dabei gibt es aber manches zu beachten.
Worum geht es bei der Klage? Mit seiner Klage gegen VW will der Bundesverband Verbraucherzentrale (VZBV) feststellen lassen, dass der Konzern Verbraucher durch den Einsatz von Manipulationssoftware vorsätzlich geschädigt hat und daher zum Schadensersatz verpflichtet ist. Geklärt werden soll außerdem, ob Kunden, falls sie ihr Auto zurückgeben dürfen, den Kaufpreis in voller Höhe zurückbekommen oder für die Nutzung des Fahrzeugs einen Abschlag hinnehmen müssen.
Wer kann sich beteiligen? Der Musterfeststellungsklage des VZBV können sich Diesel-Käufer der Marken VW, Audi, Skoda und Seat anschließen, in deren Fahrzeugen Motoren des Typs EA 189 (Hubraum 1,2 oder 1,6 oder 2,0 Liter) mit einer illegalen Abschalteinrichtung verbaut wurden und für die es einen amtlichen Rückruf gibt. Bedingung ist ferner, dass das Auto nach dem Stichtag 1. November 2008 gekauft wurde und dass sein Eigentümer bisher noch nicht juristisch gegen Volkswagen vorgegangen ist. Wer ganz sicher gehen möchte, kann online beim VZBV einen Klage-Check machen (www. musterfeststellungsklagen.de/klage-check).
Wo melde ich mich an? Das Bundesamt für Justiz hat ein Klageregister eingerichtet, in das man sich eintragen muss, und zwar bis Jahresende. Danach drohen rechtliche Ansprüche gegen VW zu verjähren. Die Behörde hat ein Anmeldeformular auf ihrer Internetseite eingerichtet. Aber Vorsicht: Wer im Netz danach sucht, gerät leicht auf Angebote von Anwaltskanzleien, die Geschädigten mehr oder minder aufdringlich ihre Hilfe anbieten. Solche Angebote anzunehmen, steht jedem frei, aber für eine Eintragung ins Klageregister benötigt man keinen Anwalt. Man kommt am besten über einen Link auf der Seite der Verbraucherzentrale (www.verbraucherzentrale.de) an das Formular. Man kann es auch schriftlich oder telefonisch anfordern: Bundesamt für Justiz, Register für Musterfeststellungsklagen, 53094 Bonn, Telefon: 0228/99 4106880.
Wie melde ich mich an? Das Internetformular lässt sich nach dem Herunterladen auf den Computer als PDF-Datei ausfüllen und dann durch einen Klick auf die Schaltfläche „per E-Mail senden“direkt verschicken. Allerdings funktioniert das bei einigen Mail-Programmen nur, wenn die im Dokument hinterlegte Mailadresse zuvor im eigenen Adressbuch abgespeichert wurde. Notfalls lässt sich das PDF-Dokument als Mail-Anhang (an: klageregister_2018_2@bfj.bund.de) oder ausgedruckt per Brief versenden.
Wie fülle ich das Formular aus? Es gibt eine umständliche Anleitung. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Zuerst werden persönlichen Daten eingetragen. Unter Punkt IV müssen dann „Gegenstand und Grund“für den gegen VW geltend gemachten Anspruch beschrieben werden. Dafür bedient man sich am besten eines Lückentexts, den der VZBV auf seiner Webseite (unter FAQ) anbietet. Dort müssen nur noch das Kaufdatum, das betroffene Modell und die 16-stellige Fahrzeugidentifikationsnummer eingetragen werden. Dann folgt ein Feld für die Höhe der Forderung. Laut VZBV kann es frei bleiben. Unterschrieben werden muss das Dokument nicht. Die erfolgreiche Eintragung in das Klageregister wird vom Bundesamt schriftlich bestätigt.
Welche Kosten entstehen? Der Eintrag in das Register und die Beteiligung an der Musterfeststellungsklage sind kostenlos. Allerdings müssen Kunden nach einem positiven Urteil im Musterprozess ihre individuellen Ansprüche gegebenenfalls noch selber einklagen. Sie können sich dabei aber auf das für andere Gerichte dann bindende Grundsatzurteil berufen. Das dürfte aber frühestens in zwei bis drei Jahren gefällt werden.