Die Fußball-Inszenierung geht weiter
Die Uefa denkt darüber nach, die Champions League auf das Wochenende zu verlegen. Im Gegenzug müsste die Bundesliga unter der Woche ran. Es ist der neueste Beweis dafür, dass der Fußball auf dem besten Wege ist, sich nachhaltig zu schaden.
DÜSSELDORF Der Fußball ist eine echte Erfolgsgeschichte. Überall, wo man hinguckt, werden einem tolle Bilanzen präsentiert. Der Bezahlsender „Sky“frohlockt über immer bessere Erlöse. Die Bundesligaklubs haben sich so viele Standbeine aufgebaut, dass sie zwar aufpassen müssen, nicht zu stolpern, aber Hauptsache, die Zahlen stimmen. Und natürlich machen sich auch die Dachorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene ganz eifrig Gedanken darüber, wie man auch noch den letzten Saft herauspressen kann. In der Branche wird gerne von Optimierungsgedanken gesprochen. Hört sich so fantastisch unkonkret an. Doch der Zuschauer lässt sich nicht unendlich veräppeln.
Und vom neuesten Plan muss sich der Zuschauer im besten Fall veräppelt vorkommen: Die „Sport-Bild“berichtet von Plänen der Uefa, die Champions League künftig auf das Wochenende zu verlegen. Der Samstagnachmittag ist für den chinesischen Markt halt attraktiver als der Mittwochabend. Da müssten die nationalen Ligen eben weichen. Die Uefa dementierte den Bericht. Und auch wenn Rudi Völler, Geschäftsführer Sport bei Bayer 04 Leverkusen, eine solche Reform auf Nachfrage „schwer vorstellbar“findet, sagt sie doch sehr viel aus über den Fußball: Er ist sehr zufrieden mit sich. Denn er ist mächtig. Und er will noch mehr.
In Deutschland steht die wirtschaftliche Entwicklung erst am Anfang. In der Premier League geben längst finanzstarke Investoren den Ton an. Viele Vereine in der Bundesliga liebäugeln auch mit diesem Geschäftsmodell. Doch man tut sich schwer, die Notwendigkeit der Veränderungen den Fans zu erklären. Die werden nämlich zur Inszenierung gebraucht. Sie sind ein Teil der Unterhaltungsbranche Fußball. Die Stimmung in den Stadien ist wichtig für die Vermarktung. Mit Ehrlichkeit haben es Funktionäre aber nicht so, weil das auch bedeuten würde, sich eine Gruppe zum Gegner zu machen. Und niemand wird gerne, wie dereinst Helene Fischer bei ihrem verunglückten Auftritt während des DFB-Pokalfinals 2017, vor einem Millionenpublikum ausgepfiffen und als Inbegriff der Kommerzialisierung gebrandmarkt.
Die Fans tragen an solchen Entwicklungen und Gedankenspielen eine große Mitschuld. Denn gegen die grenzenlose Kommerzialisierung des Premiumprodukts Profifußball zu sein, aber gleichzeitig Geld für den Eurosport-Player und das Sky-Abo auszugeben, oder 99 Euro für das neue Europapokaltrikot zu bezahlen, ist schlicht und ergreifend scheinheilig. Und den eigenen Sportdirektor als clever zu loben, weil er einen Spieler für zig Millionen verkauft, ihn anschließend aber als Totengräber des Fußballs zu kritisieren, weil er auch zig Millionen für einen neuen ausgibt, hält genauso wenig einer Überprüfung auf inhaltliche Konsequenz stand. Nein, es fehlt an Konsequenz. Weil längst eine neue Gruppe die Mehrheit in den Stadien bildet: Und diese Fans sind vor allem Kunden und wollen sich berieseln lassen von bester Unterhaltung.
Der Fußball entfernt sich immer mehr von seinem Markenkern. Das Produkt wird beliebig, weil es sich immer mehr an dem Geschmack der Masse orientiert. Doch die kann schnell die Lust am Spielzeug verlieren. Und dann pilgert man eben nicht mehr zum Fußball, sondern sitzt dann brav vor dem Beamer, und schaut sich ein E-Sport-Turnier auf den Fidschis an. Oder was auch immer gerade im Trend ist. Der Fußball sollte sich nicht überschätzen
und seine Basis vollends austauschen. Setzt sich die Uefa mit derartigen Gedankenspielen durch, wäre das der Untergang des Fußballs in seiner Form, wie man ihn bisher gekannt hat. Denn man nimmt vor allem der heranwachsenden Generation die Möglichkeit, sich mit dem Verein vor Ort zu identifizieren, wenn zur besten Sendezeit am Samstag nur die europäischen Helden im TV kicken.
„Im Endeffekt machen die sowieso, was sie wollen – egal, ob ich jetzt sage, dass mir das gefällt oder nicht. Ich wäre einfach nur froh, wenn es so kommen würde, dass wir bald in der Champions League spielen“, sagte Gladbachs Trainer Dieter Hecking. Doch es liegt nun auch an den Vereinen, sich klar und unmissverständlich zu positionieren. Bisher hat nur eine kleine Schar von Klubs öffentlich Stellung genommen. Und es bewegt sich etwas. Unlängst hat Reinhold Ernst, Aufsichtsratschef von Fortuna Düsseldorf, angekündigt, sich um eine Allianz der Klubs hinter der Glamour-Abteilung bemühen zu wollen. Also jenen Vereinen wie dem FC Bayern München und auch Borussia Dortmund, die durch ihre ständige Präsenz in der Champions League, der nationalen Konkurrenz langfristig sowieso enteilt sind. Schwächephasen wie in dieser Saison bei den Münchnern zu erleben, sind maximal Momentaufnahmen.
Die Klubs haben die Macht, auch Nein zu sagen. Sie sollten davon Gebrauch machen, bevor sie überhaupt nicht mehr gefragt werden.
„Im Endeffekt machen die sowieso, was sie wollen – egal, ob ich jetzt sage, ob mir das gefällt“
Dieter Hecking
Gladbachs Trainer