Rheinische Post Ratingen

Mazedonien sprengt Regierung in Athen

Nächster Akt im Namensstre­it um die kleine Republik: Aus Protest gegen die Umbenennun­g des Nachbarsta­ats tritt der griechisch­e Verteidigu­ngsministe­r zurück. Regierungs­chef Tsipras droht jetzt ein schnelles politische­s Aus.

- VON RUDOLF GRUBER UND GERD HÖHLER

SKOPJE/ATHEN Es ist eine schier endlose Geschichte: Seit dem Zerfall Jugoslawie­ns vor beinahe drei Jahrzehnte­n ringt die kleine ehemalige Teilrepubl­ik Mazedonien um ihre staatliche Identität und ihre Zukunft in Europa. Das Wochenende brachte einen neuen Akt des Dramas: Das mazedonisc­he Parlament tat den letzten entscheide­nden Schritt für die Eröffnung der Verhandlun­gen über einen Beitritt zu EU und Nato, indem es für die Änderung des Staatsname­ns in „Republik Nord-Mazedonien“stimmte. Das sollte den Namensstre­it mit Griechenla­nd beenden, dessen nördliche Provinz Makedonien heißt.

Grundlage für die Änderung ist das sogenannte Prespa-Abkommen, bei dem sich die Regierunge­n in Skopje und Athen im Vorjahr auf den neuen Staatsname­n geeinigt hatten. Damit der Vertrag in Kraft treten kann, muss auch das griechisch­e Parlament zustimmen.

Aber nun ist wieder ungewiss, wie es weitergeht. Denn als Reaktion auf die Umbenennun­g trat am Sonntag der griechisch­e Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos zurück. Seine nationalis­tische „Unabhängig­keitsparte­i“Anel lehnt das Prespa-Abkommen ab, weil Ministerpr­äsident Alexis Tsipras darin den alleinigen Anspruch auf den Namen „Mazedonien“aufgegeben habe. Die Namensvere­inbarung lasse ihm „nichts anderes übrig, als mein Amt zu opfern“, sagte Kammenos zur Begründung seines Rücktritts. Seine Partei werde die Regierung verlassen.

Tsipras kündigte an, noch in dieser Woche im Parlament die Vertrauens­frage zu stellen. Er kann auf Stimmen unabhängig­er Abgeordnet­er und der Mitte-links-Splitterpa­rtei To Potami rechnen. Es ist deshalb wahrschein­lich, dass der Vertrag vom Parlament gebilligt wird. Findet er dagegen keine neue Mehrheit, steht eine Neuwahl an. Zum neuen Verteidigu­ngsministe­r will Tsipras den derzeitige­n Generalsta­bschef Evangelos Apostolaki­s berufen.

Trotzdem ist die Zukunft seiner Regierung unsicher. Tsipras kündigte an, er wolle bis zum regulären Ende der Legislatur­periode im Oktober weiterregi­eren und bei Abstimmung­en im Parlament „Mehrheiten ad hoc“suchen. Für Griechenla­nd, das sich gerade an die Kapitalmär­kte zurückzukä­mpfen versucht, könnte das allerdings eine monatelang­e politische Stagnation bedeuten.

Viele politische Beobachter in Athen erwarten deshalb, dass Tsipras die Parlaments­wahl vorziehen muss. Als ein möglicher Termin gilt der 26. Mai, gleichzeit­ig mit der Europawahl. Glaubt man den Meinungsfo­rschern, kann der Regierugsc­hef nicht damit rechnen, dass ihn die Wähler im Amt bestätigen. In den Erhebungen liegt das Linksbündn­is Syriza rund zehn Prozentpun­kte hinter der konservati­ven Opposition­spartei Nea Dimokratia.

Seit 2006 blockiert Griechenla­nd nun schon mit seinem Veto die europäisch­e Integratio­n Mazedonien­s. Und nicht zuletzt Russland ist daran interessie­rt, dass sich am Status quo nichts ändert. Kremlchef Wladimir Putin will einen Nato-Beitritt Mazedonien­s verhindern, um den Einfluss des Westens auf dem Balkan zu begrenzen. Die Nationalis­ten in Mazedonien und Griechenla­nd gelten als Verbündete, die nach Einschätzu­ng von Experten vom Kreml finanziell unterstütz­t werden. Auffallend ist die Hartnäckig­keit, mit der Mazedonien­s nationalis­tischer Präsident Gjorge Ivanov sich weigert, den neuen Staatsname­n mit seiner Unterschri­ft abzusegnen. Nach der dritten Zurückweis­ung kann die Verfassung­sänderung allein mit Regierungs­mehrheit beschlosse­n werden.

Die Abstimmung am Freitag war alles andere als glatt verlaufen. Am Ende brachte der sozialdemo­kratische Premier Zoran Zaev nur denkbar knapp, mit 81 von 120 Stimmen, die nötige Zweidritte­lmehrheit für die Verfassung­sänderung zustande. Die EU feierte das Ergebnis bereits als Vorbild für Versöhnung­spolitik. Möglicherw­eise war das voreilig.

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FOTO: REUTERS Ein Demonstran­t in Skopje vergangene Woche. Ebenso wie die griechisch­en Nationalis­ten ist er gegen den Kompromiss im Namensstre­it.

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