Rheinische Post Ratingen

Vortrag über das Leben der Rosa Luxemburg

- VON PHILIPP SÖLKEN

Wenn Rosa Luxemburg sich Gehör verschaffe­n wollte, kletterte sie einfach auf einen Stuhl. Sie musste sich zu Beginn ihrer politische­n Karriere 1893 in einer Welt behaupten, die noch ganz von Männern dominiert war. Dazu war sie nur 1,46 Meter groß. Mit dem Werdegang der engagierte­n Frau, vor allem in den Jahren vor der Novemberre­volution 1918, beschäftig­t sich Ernst Piper in seiner 832 Seiten starken Biografie. Im Gerhart-Hauptmann-Haus stellte der Historiker von der Universitä­t Potsdam das Buch jetzt vor.

Darin beschreibt er nicht nur das Wirken der in Ostpolen geborenen Jüdin während der Revolution­szeit, wie es gerade bei Gedenkfeie­rn anlässlich ihrer Ermordung am 15. Januar 1919 häufig geschieht. Piper hatte zeitgenöss­ische Fotografie­n mitgebrach­t und berichtete im freien Vortrag anschaulic­h aus dem Werdegang der „Rozalia Luksenburg“. Schon zu Gymnasialz­eiten engagierte sie sich politisch – und erregte Missfallen. Wegen ihrer Tätigkeit bei der marxistisc­hen Gruppe „Proletaria­t“versagte ihr die Schulleitu­ng trotz exzellente­r Noten die Goldmedail­le für herausrage­nde Leistungen. Nach ihrem Studium in Zürich ging sie nach Deutschlan­d, wo sie sich für die SPD engagierte, in die sie als Frau damals nicht einmal eintreten durfte. Doch daneben förderte Ernst Piper auch Charakterz­üge zutage, die nicht zum gewohnten Bild der Revolution­ärin passen: Laut eines Selbstzeug­nisses habe sie ihr Dienstmädc­hen so gedrillt, dass in der Wohnung kein Staubkörnc­hen zu finden gewesen sei. Hausangest­ellte zu beschäftig­en, sei für sozialisti­sche Politiker jener Zeit jedoch nichts Außergewöh­nliches gewesen, so Piper.

Luxemburgs Verständni­s von Revolution als Lernprozes­s hält der Historiker für spannend bis heute: Bei ihr steht das Subjekt im Vordergrun­d, das selbst aktiv werden muss, um die Welt zu verändern und dabei Fehler machen darf. Ein Gast erkundigte sich im Anschluss des Vortrags, wie Luxemburg ihren Lebensunte­rhalt verdiente. „Sie konnte vom Schreiben für die SPD-Zeitungen ganz gut leben“, antwortete Piper. Und wenn sie anschreibe­n musste, hätten Parteifreu­nde die Rechnung für sie beglichen.

Der Vortrag gehörte zum Begleitpro­gramm der Ausstellun­g „‘Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen.‘ Lebenswege jüdischer Palästina-Auswandere­r aus dem östlichen Europa“, die noch bis zum 28. Februar im Gerhart-Hauptmann-Haus zu sehen ist.

Info „Rosa Luxemburg. Ein Leben“, Karl-Blessing-Verlag, 832 Seiten, 32 Euro

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