Gaspipeline: Paris gegen Berlin
Frankreich will sich überraschend gegen das von Deutschland unterstützte Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 stellen. Bundeskanzlerin Merkel und die Union beharren auf dem Weiterbau.
BERLIN/BRÜSSEL Nur zwei Wochen nach der Unterzeichnung des neuen deutsch-französischen Freundschaftsvertrages in Aachen zeichnen sich zwischen beiden Partnern ernsthafte politische Spannungen ab. Frankreich will nach Medienberichten in Brüssel gegen das von Deutschland vorangetriebene Gas-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 votieren. Bislang hatte die Bundesregierung fest auf Paris gesetzt, um eine Blockade der Pipeline zu verhindern. In Osteuropa ist die Gasleitung von Russland durch die Ostsee bis nach Mecklenburg-Vorpommern höchst umstritten. Polen, die baltischen Länder und jetzt auch Frankreich befürchten eine zu große Abhängigkeit in der Energieversorgung von Russland. Auch die USA machen Front gegen die Pipeline. In Berlin wird vermutet, Frankreich werde von der US-Regierung erpresst. Präsident Emmanuel Macron sagte seine Teilnahme an der Münchner Sicherheitskonferenz ab. Das habe aber nichts mit dem aktuellen Streit zu tun, hieß es aus Pariser Regierungskreisen.
Nord Stream 2 basiert auf einer Vereinbarung zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der auch im Aufsichtsrat des Pipeline-Betreibers Gazprom sitzt. An diesem Freitag soll in der EU über eine Änderung der Gas-Richtlinie abgestimmt werden. Sie würde es der EU ermöglichen, für Nord Stream 2 neue Bedingungen zu formulieren, die das gesamte Projekt unwirtschaftlich machen könnten. Schlägt sich Frankreich auf die Seite der Kritiker, verlöre Deutschland seine Sperrminorität im Rat. Eine Reform der Gasrichtlinie würde zwar nicht automatisch das Aus für die Pipeline bedeuten. Vermutlich sind aber Nachverhandlungen nötig. Das EURecht sieht vor, dass der Betreiber einer Pipeline und der Verkäufer des transportierten Gases nicht wie bei Nord Stream 2 identisch sein dürfen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Kritik an Nord Stream 2 zurückgewiesen. „Wir wollen uns unter gar keinen Umständen allein von Russland abhängig machen“, sagte sie in Bratislava. Deutschland werde daher auch Gas-Terminals für Flüssiggas bauen. Russland sei schon im Kalten Krieg verlässlicher Gaslieferant Europas gewesen. Auch die Unionsfraktion stellte sich hinter das Projekt. Nord Stream 2 „erhöht die Versorgungssicherheit und macht uns politisch unabhängiger, auch von Ramboattacken aus den USA“, sagte Wirtschaftssprecher Joachim Pfeiffer. Deutschland steige aus der Atomkraft und aus der Kohle aus, sagte CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum. „Allein mit Windrädern schaffen wir es auf absehbare Zeit nicht.“
Dagegen zeigte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), Verständnis für die Pariser Kehrtwende. Es sei „richtig, das Gut der europäischen Einheit und Handlungsfähigkeit über die Solidarität mit Deutschland zu stellen“, sagte Röttgen dem „Tagesspiegel“. Auch die Grünen begrüßten die Abkehr Frankreichs von dem Projekt. „Deutschland hat ohne Rücksicht auf den EU-Zusammenhalt das North-Stream-2-Projekt bilateral vorangetrieben. Es muss sich jetzt nicht wundern, wenn Frankreich nun stärker die Interessen Osteuropas unterstützt“, sagte der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl, Sven Giegold.