Rheinische Post Ratingen

Beweismitt­el per Taxi transporti­ert

Bei der anonymen Spurensich­erung fehlt es an einheitlic­hen Standards und Geld.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Manchmal werden die Tatspuren im Taxi transporti­ert, manchmal gar dem Opfer mit nach Hause gegeben. Vor Gericht haben solcherart erhobene Beweise später allerdings keine Aussagekra­ft.

Bei der anonymen Spurensich­erung (ASS) gibt es noch einiges zu verbessern, wie eine Expertenan­hörung im Landtag ergab. Das Verfahren gibt Opfern sexueller Gewalt Bedenkzeit. Oft sind sie direkt nach der Tat nicht in der Lage, Anzeige zu erstatten. Sie können die Spuren zunächst sichern und zu einem späteren Zeitpunkt Anzeige erstatten.

Vor Ort gebe es aber viel zu viele unterschie­dliche Verfahren – je nach Ressourcen, kritisiert­e Conny Schulte vom Landesverb­and autonomer Frauen-Notrufe NRW. Es müsse dringend landesweit­e Standards geben, lautete daher eine Forderung der Gutachter und Wissenscha­ftler. Für die aufwendige ärztliche Untersuchu­ng gebe es nur eine Notfallpau­schale von 24 Euro, die Spurensich­erungssets und Dokumentat­ionsbögen der Tat seien nicht vereinheit­licht und die Kosten nicht abrechnung­sfähig. Zum Teil würden diese Sets von Frauenbera­tungsstell­en zusammenge­stellt, zum Teil von Ehrenamtli­chen oder von der Polizei. Unklar sei auch die Finanzieru­ng der Laborarbei­ten, etwa um festzustel­len, ob K.o.-Tropfen im Spiel waren. Ebenso fehlten für Transport und Lagerung verbindlic­he Regeln, heißt es in dem Gutachten des Dachverban­des der autonomen Frauenbera­tungsstell­en. Vergewalti­gung verjährt nach 20 Jahren – so lange müssten die Asservate also eigentlich aufbewahrt werden. In NRW liege die Höchstdaue­r in Krankenhäu­sern zurzeit aber bei zehn Jahren, in manchen Kliniken nur bei einem Jahr. Weil Standards und Finanzieru­ng unklar seien, sprängen zurzeit immer mehr Krankenhäu­ser ab, sagte Ute Speier-Lemm vom Dachverban­d der autonomen Frauenbera­tungsstell­en.

Dringend erforderli­ch sei auch eine bessere Schulung der Ärzte, ergänzte Britta Gahr vom Institut für Rechtsmedi­zin an der Uni Düsseldorf. In der Arzt-Ausbildung sei zu dem Thema nur ein Seminar in einem Semester vorgesehen. „Wenn Ärzte nicht entspreche­nd geschult sind, ist alles andere vergeblich­e Liebesmüh“, sagte Gahr. Wie wichtig die Möglichkei­t von ASS auch für Männer ist, machte Gutachter Jürgen Antoni anhand eines Beispiels klar. Ein männlicher Gefangener könne gegen einen Vergewalti­ger nicht sofort Anzeige erstatten, weil er sonst mit Drangsalie­rungen zu rechnen habe: „Es ist undenkbar, dass er sofort Strafanzei­ge stellt.“

„Wenn Ärzte nicht entspreche­nd geschult sind, ist alles andere vergeblich­e Liebesmüh“Britta Gahr

Institut für Rechtsmedi­zin, Uni Düsseldorf

Info ASS-Angebote in NRW unter www.rp-online.de/spurensich­erung

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