Wo Trump recht haben könnte
Seine Rhetorik verstört, seine Hetze gegen Andersdenkende untergräbt die demokratische Kultur. Und doch könnte es sein, dass der Widerstand in Europa gegen US-Präsident Donald Trump zumindest teilweise ungerechtfertigt ist. Ein Gedankenspiel.
Stellen Sie sich vor, im Weißen Haus säße eine kluge und charmante Frau. Ruhig im Ton, gelassen im Stil, empathisch. Zielstrebig, aber konsensorientiert. Und nun würde diese Frau eine knallharte „America first“-Politik umsetzen, autokratisch regierten Staaten mit Härte begegnen, Diktatoren mittels Umarmungsstrategie zum Stopp ihrer Atomwaffentests bringen. Sie würde die antisemitische Staatsdoktrin in einigen Nahost-Staaten mit rüder Rhetorik und symbolischen Entscheidungen brandmarken und dazu noch die heimische Wirtschaft ankurbeln. Würden wir diese Präsidentin anders bewerten als Donald Trump? Es ist nur ein Gedankenspiel. Aber der Widerstand in Europa gegen den US-Präsidenten ist wohl auch deshalb so intensiv, weil sein machohafter Auftritt, seine mitunter hetzerische Rhetorik und seine narzisstische Art so abstoßend sind. Und doch könnte seine Politik – zumindest in Teilen – richtig sein.
Nord Stream 2 Die Pipeline soll russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland liefern. 2011 wurde der erste Teil in Betrieb genommen, der zweite steht kurz vor der Fertigstellung. Bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas sollen jährlich transportiert werden, der Bedarf von mehr als 26 Millionen Haushalten. Ein Prestigeprojekt für Russlands Staatschef Wladimir Putin, das Staatsunternehmen Gazprom hält 51 Prozent an dem Konsortium. Kanzlerin Angela Merkel unterstützt das Projekt. Die USA lehnen dagegen einen stärkeren Einfluss Russlands in der EU ab.
Unlängst hatte der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, Firmen mit Sanktionen gedroht, die mit der Pipeline Geschäfte machen. Die USA wollen ihr eigenes Flüssiggas verkaufen. Aber die Dominanz Russlands auf dem Gasmarkt bewerten auch andere Länder kritisch. Die baltischen Staaten, die Slowakei und Polen sehen ihre Sicherheit bedroht. Die Ukraine fürchtet, dass künftig kaum noch russisches Gas durch ihr Land fließt und ihr so Energie und Einnahmen fehlen. Nun werden laut einem Bericht der „SZ“auch bei Deutschlands engstem Verbündeten Frankreich Zweifel an dem Projekt öffentlich. Das wäre für die Kanzlerin blamabel. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Rötten (CDU), versteht die Bedenken Frankreichs und erklärte am Donnerstag, die europäische Einigung sei wichtiger als die Solidarität mit Deutschland.
Nordkorea Trump will sich zum zweiten Mal mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un treffen. Trump hat sich gebrüstet, seine Korea-Politik habe einen Krieg verhindert. Das dürfte übertrieben sein. Aber friedlicher ist es schon. Nordkorea hatte während der letzten Obama-Jahre mit Atomwaffentests provoziert und selbst enge Verbündete wie China überrascht. Obamas „Entspannungspolitik“trug keine Früchte. Trumps bilaterale Gespräche haben nun immerhin zu Verhandlungen über eine Denuklearisierung geführt. Die koreanische Halbinsel sei nicht mehr „am Rande eines Krieges“, analysiert das Fachblatt „Foreign Policy“. Trump habe einen „neuen Ton“gesetzt, dieser könne in ernsthafte Schritte zu einem friedlichen Dialog münden.
Iran-Abkommen Das Atomabkommen wurde 2015 zwischen dem Iran und den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China geschlossen. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Das Regime in Teheran verpflichtete sich, seine Urananreicherung herunterzufahren und Kontrollen zuzulassen. Im Gegenzug wurden Sanktionen aufgehoben.
Tatsache ist, dass militärische Anlagen, die der Iran als militärisch deklariert, für Inspektoren weiterhin nicht zugänglich sind. Zugleich hat Teheran die frischen Devisen durch die wirtschaftliche Öffnung teilweise in militärische Konflikte in Syrien und im Jemen investiert. „Das Geld floss ins iranische Militär, zu den iranischen Milizionären“, sagt der Münchner Historiker Michael Wolffsohn. Wenn Angela Merkel ihr Credo ernst nimmt, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, hätte sie dem Abkommen kaum zustimmen können. Das Ziel der Mullahs, die Auslöschung Israels, gilt weiter. Trump sieht aber allein die militärischen Beteiligungen im Nahen Osten als geistigen Verstoß gegen den Vertrag und hat ihn deshalb gekündigt. Er will den Iran mit Sanktionen in die Knie zwingen. „Trump hat die Blütenträume der Europäer entzaubert und aus dem Offensichtlichen – der Tatsache, dass der Atomdeal nicht zu mehr Frieden, sondern zu mehr Krieg in der Region geführt hat – seine Schlüsse gezogen“, sagt der Politikwissenschaftler und Iran-Experte Matthias Küntzel. Es sind Einzelmeinungen, aber sind sie deswegen unsinnig?
Konjunktur in sieben aufeinanderfolgenden Quartalen um 2,8 Prozent – ein Prozent mehr als zwischen 2000 und 2016. Zwar wächst die chinesische oder indische Wirtschaft noch schneller, aber innerhalb der OECD-Industriestaaten kann sich das sehen lassen. Nach Angaben des US-Büros für Arbeitsstatistik sind seit Trumps Amtsantritt 4,9 Millionen neue Jobs entstanden, darunter 450.000 Arbeitsplätze in der Industrie. Das ist kein Rekord, wie sich Trump brüstet, aber seit den 90er Jahren gab es das so auch nicht mehr. Zwei Ursachen: der Bürokratieabbau und die Steuersenkungen, etwa die Absenkung der Körperschaftsteuer von 35 auf 20 Prozent. Harald Uhlig, in Bonn geborener Ökonom an der Universität Chicago, empfiehlt der Bundesregierung nachzuziehen.
Fazit Es fällt schwer, in Donald Trump einen lupenreinen Demokraten zu sehen. Seine Ausfälle gegenüber der freien Presse und sein entspanntes Verhältnis zur Wahrheit bleiben eine Bürde. Und doch kann es sein, dass dieser Präsident recht hat. Teilweise zumindest. Das Gedankenspiel sollte man erdulden.