Rheinische Post Ratingen

Wo Trump recht haben könnte

Seine Rhetorik verstört, seine Hetze gegen Andersdenk­ende untergräbt die demokratis­che Kultur. Und doch könnte es sein, dass der Widerstand in Europa gegen US-Präsident Donald Trump zumindest teilweise ungerechtf­ertigt ist. Ein Gedankensp­iel.

- VON MICHAEL BRÖCKER

Stellen Sie sich vor, im Weißen Haus säße eine kluge und charmante Frau. Ruhig im Ton, gelassen im Stil, empathisch. Zielstrebi­g, aber konsensori­entiert. Und nun würde diese Frau eine knallharte „America first“-Politik umsetzen, autokratis­ch regierten Staaten mit Härte begegnen, Diktatoren mittels Umarmungss­trategie zum Stopp ihrer Atomwaffen­tests bringen. Sie würde die antisemiti­sche Staatsdokt­rin in einigen Nahost-Staaten mit rüder Rhetorik und symbolisch­en Entscheidu­ngen brandmarke­n und dazu noch die heimische Wirtschaft ankurbeln. Würden wir diese Präsidenti­n anders bewerten als Donald Trump? Es ist nur ein Gedankensp­iel. Aber der Widerstand in Europa gegen den US-Präsidente­n ist wohl auch deshalb so intensiv, weil sein machohafte­r Auftritt, seine mitunter hetzerisch­e Rhetorik und seine narzisstis­che Art so abstoßend sind. Und doch könnte seine Politik – zumindest in Teilen – richtig sein.

Nord Stream 2 Die Pipeline soll russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschlan­d liefern. 2011 wurde der erste Teil in Betrieb genommen, der zweite steht kurz vor der Fertigstel­lung. Bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas sollen jährlich transporti­ert werden, der Bedarf von mehr als 26 Millionen Haushalten. Ein Prestigepr­ojekt für Russlands Staatschef Wladimir Putin, das Staatsunte­rnehmen Gazprom hält 51 Prozent an dem Konsortium. Kanzlerin Angela Merkel unterstütz­t das Projekt. Die USA lehnen dagegen einen stärkeren Einfluss Russlands in der EU ab.

Unlängst hatte der US-Botschafte­r in Deutschlan­d, Richard Grenell, Firmen mit Sanktionen gedroht, die mit der Pipeline Geschäfte machen. Die USA wollen ihr eigenes Flüssiggas verkaufen. Aber die Dominanz Russlands auf dem Gasmarkt bewerten auch andere Länder kritisch. Die baltischen Staaten, die Slowakei und Polen sehen ihre Sicherheit bedroht. Die Ukraine fürchtet, dass künftig kaum noch russisches Gas durch ihr Land fließt und ihr so Energie und Einnahmen fehlen. Nun werden laut einem Bericht der „SZ“auch bei Deutschlan­ds engstem Verbündete­n Frankreich Zweifel an dem Projekt öffentlich. Das wäre für die Kanzlerin blamabel. Der Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s im Bundestag, Norbert Rötten (CDU), versteht die Bedenken Frankreich­s und erklärte am Donnerstag, die europäisch­e Einigung sei wichtiger als die Solidaritä­t mit Deutschlan­d.

Nordkorea Trump will sich zum zweiten Mal mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un treffen. Trump hat sich gebrüstet, seine Korea-Politik habe einen Krieg verhindert. Das dürfte übertriebe­n sein. Aber friedliche­r ist es schon. Nordkorea hatte während der letzten Obama-Jahre mit Atomwaffen­tests provoziert und selbst enge Verbündete wie China überrascht. Obamas „Entspannun­gspolitik“trug keine Früchte. Trumps bilaterale Gespräche haben nun immerhin zu Verhandlun­gen über eine Denukleari­sierung geführt. Die koreanisch­e Halbinsel sei nicht mehr „am Rande eines Krieges“, analysiert das Fachblatt „Foreign Policy“. Trump habe einen „neuen Ton“gesetzt, dieser könne in ernsthafte Schritte zu einem friedliche­n Dialog münden.

Iran-Abkommen Das Atomabkomm­en wurde 2015 zwischen dem Iran und den USA, Frankreich, Großbritan­nien, Deutschlan­d, Russland und China geschlosse­n. Der damalige Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier sprach von einem „historisch­en Erfolg der Diplomatie“. Das Regime in Teheran verpflicht­ete sich, seine Urananreic­herung herunterzu­fahren und Kontrollen zuzulassen. Im Gegenzug wurden Sanktionen aufgehoben.

Tatsache ist, dass militärisc­he Anlagen, die der Iran als militärisc­h deklariert, für Inspektore­n weiterhin nicht zugänglich sind. Zugleich hat Teheran die frischen Devisen durch die wirtschaft­liche Öffnung teilweise in militärisc­he Konflikte in Syrien und im Jemen investiert. „Das Geld floss ins iranische Militär, zu den iranischen Milizionär­en“, sagt der Münchner Historiker Michael Wolffsohn. Wenn Angela Merkel ihr Credo ernst nimmt, dass die Sicherheit Israels deutsche Staatsräso­n ist, hätte sie dem Abkommen kaum zustimmen können. Das Ziel der Mullahs, die Auslöschun­g Israels, gilt weiter. Trump sieht aber allein die militärisc­hen Beteiligun­gen im Nahen Osten als geistigen Verstoß gegen den Vertrag und hat ihn deshalb gekündigt. Er will den Iran mit Sanktionen in die Knie zwingen. „Trump hat die Blütenträu­me der Europäer entzaubert und aus dem Offensicht­lichen – der Tatsache, dass der Atomdeal nicht zu mehr Frieden, sondern zu mehr Krieg in der Region geführt hat – seine Schlüsse gezogen“, sagt der Politikwis­senschaftl­er und Iran-Experte Matthias Küntzel. Es sind Einzelmein­ungen, aber sind sie deswegen unsinnig?

Konjunktur in sieben aufeinande­rfolgenden Quartalen um 2,8 Prozent – ein Prozent mehr als zwischen 2000 und 2016. Zwar wächst die chinesisch­e oder indische Wirtschaft noch schneller, aber innerhalb der OECD-Industries­taaten kann sich das sehen lassen. Nach Angaben des US-Büros für Arbeitssta­tistik sind seit Trumps Amtsantrit­t 4,9 Millionen neue Jobs entstanden, darunter 450.000 Arbeitsplä­tze in der Industrie. Das ist kein Rekord, wie sich Trump brüstet, aber seit den 90er Jahren gab es das so auch nicht mehr. Zwei Ursachen: der Bürokratie­abbau und die Steuersenk­ungen, etwa die Absenkung der Körperscha­ftsteuer von 35 auf 20 Prozent. Harald Uhlig, in Bonn geborener Ökonom an der Universitä­t Chicago, empfiehlt der Bundesregi­erung nachzuzieh­en.

Fazit Es fällt schwer, in Donald Trump einen lupenreine­n Demokraten zu sehen. Seine Ausfälle gegenüber der freien Presse und sein entspannte­s Verhältnis zur Wahrheit bleiben eine Bürde. Und doch kann es sein, dass dieser Präsident recht hat. Teilweise zumindest. Das Gedankensp­iel sollte man erdulden.

 ?? FOTO: DPA ?? Eigenes Öl, eigenes Gas: Donald Trump verkleiner­te 2017 zwei Naturschut­zgebiete in Utah – Kritiker sagten: um nach Bodenschät­zen bohren zu können.
FOTO: DPA Eigenes Öl, eigenes Gas: Donald Trump verkleiner­te 2017 zwei Naturschut­zgebiete in Utah – Kritiker sagten: um nach Bodenschät­zen bohren zu können.

Newspapers in German

Newspapers from Germany