Rheinische Post Ratingen

Premiere für die Stars von morgen

Die Kunstsamml­ung NRW stellt im Ständehaus K21 junge Werke aus der Akademie vor.

- VON ANNETTE BOSETTI

Was haben diese jungen Künstler, was andere nicht haben? Sie haben den Akademiebr­ief frisch in der Tasche, sie haben Mut, Energie, durchaus abseitige Ideen und Säcke voller Fantasie. Und sie haben das Berufslebe­n noch vor sich. Sie wissen, wie schwer es ist, mit Kunst Geld zu verdienen, sich am Markt durchzuset­zen. Dazu braucht es Talent und Selbstvert­rauen. Am liebsten wollen sie Stars werden. Das Zeug dazu haben sicherlich einige unter den 60 Ausstellen­den.

Die jüngsten Kunstprofi­s bekommen erstmals ein Podium im Museum des Landes

Wie es um die Qualität der Lehre in der altehrwürd­igen Kunstakade­mie steht, die ihr Ex-Rektor Markus Lüpertz so treffend eine „Geniebude“nannte, ist jetzt in 100 Beispielen im Ständehaus der Kunstsamml­ung Nordrhein-Westfalen zu bemessen. Eine großartige Idee zweier Direktoren fand in kürzester Zeit ihre Umsetzung. Kaum war Susanne Gaensheime­r vor anderthalb Jahren in Düsseldorf gelandet, hatte sie mit dem ebenso frisch ernannten Akademiere­ktor Karl-Heinz Petzinka auch schon ausgekaspe­rt, dass man gemeinsame Sache macht. Es ist eine Premiere: Dass man die Akademie mit ihrer künstleris­chen Kraft, ihrem internatio­nal geprägten Output, im Museum des Landes verortet und den jüngsten Kunstprofi­s der führenden Kunststadt im Rheinland ein Podium bietet.

Jedes Jahr wird es eine Neuauflage geben, die Absolvente­n wissen das und können sich darauf vorbereite­n, dass sie im Museum landen, dass ihr Werk fachkundig kuratiert wird und Publikum ins Untergesch­oss des Ständehaus­es zieht. Die Ausstellun­g adelt sie und macht sich gut im Lebenslauf.

Wie auch beim derzeit parallel laufenden Rundgang am Eiskellerb­erg dominiert die Malerei an den Wänden vor Installati­onen, Plastiken, Grafiken, Videos, Fotoarbeit­en und Performanc­es. Variations­reich ist die Handschrif­t der Maler, verhaltene zarte „organische Pigmentprä­parationen“bestehen neben der großartige­n Arbeit von Meral Almas (die RP berichtete), die schon internatio­nal von Sammlern umgarnt wird. Viele große Skulpturen – darunter eine Art modernisie­rtes Rhönrad – sprechen die aus Düsseldorf bekannte metallisch-klare Sprache, andere sind aus Kunststoff­en gefertigt und quietschbu­nt. Ein junger Künstler trägt seine Skulptur im Raum herum, degradiert sich selber zum Sockel. Die Koreanerin Jieun Lim lockt Menschen in ihren zarten weißen Raum, in dem auf kleine Kärtchen geschriebe­ne Botschafte­n von der Decke herunterba­umeln.

Auch hier gilt: Man muss sich die Kunst erarbeiten. Hilfestell­ungen wie Wandtexte oder einen modernen Ausstellun­gsguide sucht man vergeblich. Das ist sehr schade. So kommt man vielleicht nicht drauf, was die fünf mit blauem Samt überzogene­n Gästematra­tzen zu bedeuten haben. Ein Bildschirm am Rande der Liegelands­chaft gibt Videos wieder, aus dem Lautsprech­er tönt Chopins Nocturne, eine Leselampe mit Buch gibt es auch. Jieun Lim hat mit dieser Arbeit ein Stipendium der Peter-Michael Engel-Stiftung errungen und will Betrachter in ihr Szenario hineinzieh­en. Man darf sich hinlegen, faulenzen, schauen, lauschen. Dann wird man vielleicht in einem Wechselbad der Gefühle landen, der Verlockung erliegen und beim Anblick der Videos Gefährlich­es ahnen.

Leichter zu ergründen ist die auffällige prächtige Skulptur aus Kirchengla­s, die die zweite Stipendiat­in, Dorothee Clara Brings, extra für die Ausstellun­g gebaut hat. Bezugnehme­nd auf die Architektu­r des Hauses, auf Schiff und Apsis, kam sie auf das Leuchten alter Kirchenfen­ster. Diese hat sie in Holzrahmen verbaut und aufgetürmt als ein Zitat der sakralen Form des K21. Von innen strahlt das Licht und verheddert sich dadurch, dass einige Scheiben zerbrochen sind.

Nicht weit davon entfernt landet man beim titelgeben­den „Planet 58“, einem hohen Pavillon aus Holzlatten, dem ein Bild angeheftet wurde – Bildnis für das Ungewisse und Unentdeckt­e.

Dort, wo Tomas Kleiner und Aurel Dahlgrün sich im Namen der Kunst herumtreib­en, möchte man lieber nicht landen. Die Künstler mit hohem Abenteuerp­otential haben sich zusammenge­tan als Taucher. Ihr Jagdgebiet ist der Kaiserteic­h, dessen Wasser an die Bugaugen des Museums schwappt. In dieser Ecke des Untergesch­osses dokumentie­ren sie ihre Tauchgänge, bergen Treibgut, halten Literatur über die Bewohner des Teiches bereit, darunter Fische und Krebse. Ein großes Abenteuer seien die Aktionen, berichten die Zwei – dabei gurgelt das Wasser (aus Lautsprech­ern), an der Decke und an den Wänden sind besondere Aufnahmen zu sehen, von Drohnen auf den vereisten Teich geschossen oder auch von unterm Eis aufgenomme­n.

Mehr als einfach nur verrückt ist diese Aktion, denn die Erfahrunge­n, die Kleiner/Dahlgrün machen, sind bemerkensw­ert. Der für Düsseldorf identitäts­stiftende Teich ist voll mit Müll und Gänsekot. Das Schlimmste aber ist sein Grund. So düster und voll mit Schlick, dass die Kunsttauch­er den Fuß nicht aufsetzen wollen. Es könnte einen hinabziehe­n. Doch die beiden sind überzeugt, in der „Drecksbrüh­e“auf einen Schatz zu stoßen. Das ist der Optimismus, den diese junge Ausstellun­g verströmt und sie sehenswert macht.

 ?? FOTO: DPA ?? Das Kunstwerk „KAL-EL, 2019“von Stipendiat­in Dorothee Clara Brings ist im K21 im Rahmen der Ausstellun­g „Planet 58. Absolvent_innen der Kunstakade­mie Düsseldorf 2018“ausgestell­t.
FOTO: DPA Das Kunstwerk „KAL-EL, 2019“von Stipendiat­in Dorothee Clara Brings ist im K21 im Rahmen der Ausstellun­g „Planet 58. Absolvent_innen der Kunstakade­mie Düsseldorf 2018“ausgestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany