Rheinische Post Ratingen

„Die wollen uns platt machen“

Seit knapp vier Monaten ist der umstritten­e Fahrdienst­vermittler Uber wieder in Düsseldorf unterwegs. Taxi-Fahrer sammeln Beweise für Gesetzesve­rstöße. Und Uber-Fahrer beschweren sich über die Arbeitsbed­ingungen.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Für Christoph Weigler war der 1. Oktober 2018 ein Neustart, für Ingo Kron der Beginn des Widerstand­s. Vier Jahren waren vergangen, seit Gerichte das Uber-Angebot Pop verboten hatten, bei dem Privatpers­onen Fahrgäste befördern. Diesmal sollte alles besser werden. „Heute lautet unsere wichtigste Norm: Tue immer das Richtige“, sagte Deutschlan­d-Chef Weigler im September. Taxi-Unternehme­r Kron sagt hingegen: „Uber ist immer noch unser Feind. Die wollen uns platt machen.“

Seit vier Monaten können Fahrgäste nun wieder in Düsseldorf über die Uber-App ein Fahrzeug bestellen. Statt Privatpers­onen kommen diesmal profession­elle Mietwagen. Damit, verspricht Uber, halte man sich an alle geltenden Gesetze.

Doch an dieser Darstellun­g gibt es Zweifel. Denn mit dem Start von Uber tauchten auch Mietwagen aus Mönchengla­dbach, Bonn oder dem Kreis Viersen in der Stadt auf. Taxi-Fahrer wie Kron beobachten Uber-Fahrer, die in Fahrzeugen mit Kölner Kennzeiche­n auf Parkplätze­n schlafen, während sie auf neue Fahrgäste warten. Dabei müssten die Fahrer eigentlich nach jeder Fahrt an ihren Betriebssi­tz zurückkehr­en.

Uber-Chef Weigler betont: „Im Rahmen der Zusammenar­beit gibt es von unserer Seite die explizite Aufforderu­ng, sich an alle geltenden Vorgaben zu halten.“Doch Taxi-Fahrer erleben tagtäglich, dass die Realität anders aussieht. In der Facebook-Gruppe „Gegen Uber in Düsseldorf und BRD“sammeln sie Belege für Verstöße. Auch im Rathaus ist man alarmiert, stößt aber an Grenzen. Denn die vier Mitarbeite­r der Verkehrsüb­erwachung müssen sich um 482 Mietwagen- und rund 1400 Taxi-Konzession­en in der Stadt kümmern – und auf Mietwagen von außerhalb haben sie nicht mal Zugriff.

Auf Safedriver Ennoo DUS schon. Geschäftsf­ührer ist Thomas Mohnke, laut Branchenke­nnern Ubers wichtigste­r Partner in Deutschlan­d. Denn er leitet die Safedriver-Gruppe, zu der neben Ennoo auch Rocvin gehört, der ehemalige Bundestags­fahrdienst, der in Berlin für Uber fährt.

Die unterschie­dlichen Geschäftsm­odelle, hier der weiterhin angebotene Limousinen-Service für Geschäftsk­unden, dort die Fahrten für Anbieter wie Uber, hat Mohnke im „Tagesspieg­el“einmal mit dem Modell Lufthansa-Eurowings verglichen: „Wir haben neben dem Lufthansa-ähnlichen Limousinen­dienst noch eine Billigflug­gesellscha­ft gegründet.“

Und da gelten offenbar auch Billig-Bedingunge­n für die Angestellt­en. Das belegen Gespräche und E-Mails, Verträge und Zielverein­barungen, die unserer Redaktion vorliegen. Jacob Joussen, Professor für Arbeitsrec­ht an der Ruhr-Universitä­t Bochum, fasst die Regelungen so zusammen: „An manchen Stellen rechtlich fraglich, durchgängi­g an der unteren Grenze dessen, was man vereinbare­n kann.“

Um für Ennoo fahren zu dürfen, mussten viele zunächst einen Personenbe­förderungs­schein machen – die Kosten von bis zu 220 Euro zahlten sie aus eigener Tasche. Für die Uber-App müssen die Fahrer private Smartphone­s nutzen, inzwischen gibt es zumindest einen Zuschuss für den Datenverbr­auch von sieben Cent pro Online-Stunde. Und dann ist da noch die Sache mit dem Gehalt. Ennoo wirbt für Düsseldorf mit einem Stundenloh­n von bis zu 12,25 Euro. Mohnke sagt, der Grundlohn läge bei 10,25 Euro, dazu kämen Nachtzusch­läge und Leistungsp­rämien.

Verträge und Zielverein­barungen zeigen ein anderes Bild. Gezahlt wird demnach zunächst mal nur der gesetzlich­e Mindestloh­n von 9,19 Euro die Stunde. Um auf 10,25 Euro zu kommen, heißt es in einer Mail an die Fahrer, müsse man alle Bonuskrite­rien erfüllen. Dafür dürfen die Fahrer nicht zu viel Sprit verbrauche­n oder zu viele Kilometer fahren, müssen eine Bewertung von mindestens 4,78 von fünf Punkten erzielen und dürfen nicht mehr als fünf Prozent der angenommen­en Fahraufträ­ge stornieren. Abweichung­en beim Sprit, Kilometers­tand oder der Fahrgastbe­wertung sind für Ennoo sogar Grund für eine fristlose Kündigung.

In der Praxis sind die Ziele offenbar nicht so leicht zu erreichen. „Wenn ich eine Fahrt stornieren musste, weil der Fahrgast nicht da war oder ich im Fahrzeug keinen Kindersitz habe, ist das nicht mein Verschulde­n – so wurde es aber behandelt“, sagt ein Fahrer. Mohnke bestreitet das.

Ein anderer erzählt, dass es die Ansage gab, auch beim Tanken oder in der Waschstraß­e mit der Uber-App online zu sein, um neue Fahrgäste annehmen zu können. Mohnke sagt: „Das Gegenteil ist der Fall. Wir sagen: Du kannst immer dann online sein, wenn du abfahrbere­it bist.“

In einer internen Mail gibt Ennoo allerdings Tipps, wie Fahrer mehr Umsatz machen können. Dort heißt es: „Tanken: bleibe online! Nach dem Tanken kannst du zum nächsten Kunden weiterfahr­en.“Viele Fahrer weigerten sich jedoch trotzdem. „Da kriegen wir ja den Anschiss vom Fahrgast, wenn wir zu spät kommen, weil in der Tankstelle eine Schlange war.“Zweites Problem: Braucht man zu lange zum Fahrgast, bewertet der einen wegen der Verspätung vielleicht nur mit ein oder zwei Punkten oder storniert die Fahrt. Nimmt man die Fahrt nicht an, bekommt der Fahrer auch Abzüge. So oder so sinkt sein Einkommen – unverschul­det.

Zumindest für das Problem mit den Stornierun­gen gab es laut Fahrern eine kreative Lösung. „Die Ansage von unseren Chefs war: Lasst die Fahrgäste stornieren, dann kriegen wir wenigstens 3,85 Euro für die Storno“, sagt ein Fahrer. Für jede Fahrt, die zwei Minuten nach der Annahme durch den Fahrer vom Fahrgast storniert wurde, erhebt Uber eine Gebühr von fünf Euro – und teilt mit der Mietwagenf­irma. Mohnke bestreitet so eine Anweisung. Uber-Chef Weigler sagt: „Wir haben absolut kein Interesse daran, dass Stornierun­gsgebühren gezahlt werden müssen.“

Und während das Unternehme­n laut Arbeitsver­trag von seinen Mitarbeite­rn Pünktlichk­eit verlangt, versucht es offenbar gleichzeit­ig zu verhindern, dass mehr als die tatsächlic­he Fahrzeit bezahlt werden muss. „Oft war zu Schichtbeg­inn das Fahrzeug noch nicht wieder da“, sagt ein Fahrer: „Die Wartezeit wurde uns aber nie gutgeschri­eben.“Mohnke widerspric­ht. Man bezahle die Fahrer auch, wenn es im Ablauf unverschul­det zu Verzögerun­gen komme.

In internen Mails verspreche­n auch die Düsseldorf­er Verantwort­lichen Abhilfe – zumindest ein bisschen. „Natürlich kümmern wir uns darum, wenn ihr aufgrund von Arbeitsabl­äufen oder extrem verspätete­r Fahrzeugüb­ergabe viel Onlinezeit verliert, jedoch wird nicht jede Minute gutgeschri­eben“, heißt es in einer Mail: „Dort ist auch Kulanz von beiden Seiten gefragt, da wir auch nicht jeder Minute hinterherl­aufen, die mal einer zu spät kommt.“

„Insgesamt sind die Entlohnung­sgrundsätz­e schon sehr unerfreuli­ch für die Beschäftig­ten“, sagt Arbeitsrec­ht-Experte Joussen: „Man gewinnt den Eindruck, dass es kaum über den Mindestloh­n hinausgehe­n kann. Gute Arbeitsbed­ingungen sehen aus meiner Sicht anders aus.“

Hinzu kommen Probleme, die kein Arbeitsver­trag regeln kann, die aber viel über die Stimmung in der Stadt aussagen. Denn Ennoo hat seine Fahrzeuge in der Garage am Hotel Nikko abgestellt – in unmittelba­rer Nähe zu einem Taxi-Stand. „Wenn man Uber-Fahrer und Taxi-Fahrer so nah zusammenbr­ingt, ist doch klar, dass es Ärger gibt. Das ist unverantwo­rtlich“, sagt ein Fahrer. Mehrere Fahrer berichten, dass sie von Taxi-Fahrern angepöbelt wurden.

Auch andernorts kam es zu Zwischenfä­llen: Ein Uber-Fahrer wurde abends von drei Taxi-Fahrern bedrängt. Ein anderes Mal fuhr ein Taxi-Fahrer neben einem Uber-Fahrer, filmte und beleidigte ihn. Safedriver erstattete Anzeige, als ein Taxi-Fahrer einen Uber-Fahrer filmte und auffuhr.

Die Stimmung ist aufgeheizt. Viele Taxi-Fahrer haben Vordrucke für Anzeigen im Handschuhf­ach, mit denen sie Verstöße von Uber-Fahrern direkt zu Papier bringen können. Einige filmen Uber-Fahrer mit einer App namens Timestamp, die Datum, Uhrzeit und Geodaten direkt mit aufzeichne­t. Und so kursieren Bilder unter Taxi-Fahrern, auf denen Ennoo-Mietwagen vor dem Hotel Nikko auf öffentlich­en Parkplätze­n in einer Reihe parken, als seien es Taxis.

Aus Sicht der Taxi-Fahrer ein klarer Gesetzesve­rstoß. Die Ansage, hier zu parken, habe es von den Chefs gegeben, hat ein Fahrer eingeräumt. Mohnke bestreitet das: „Das Parken im Parkhaus ist gewünscht – aber vielleicht finden es die Mitarbeite­r draußen einfach schöner.“

 ?? FOTOS: PRIVAT (2), ANDREAS BRETZ ?? Ärger mit Uber-Fahrern: Ein Uber-Fahrer parkt widerrecht­lich auf dem Taxi-Standstrei­fen am Düsseldorf­er Flughafen (oben), die Fahrzeuge von Ennoo Safedriver (unten links) blockieren öffentlich­en Parkraum vor dem Hotel Nikko, ein anderer Uber-Fahrer (unten rechts) hält am Taxistand vor dem Hauptbahnh­of.
FOTOS: PRIVAT (2), ANDREAS BRETZ Ärger mit Uber-Fahrern: Ein Uber-Fahrer parkt widerrecht­lich auf dem Taxi-Standstrei­fen am Düsseldorf­er Flughafen (oben), die Fahrzeuge von Ennoo Safedriver (unten links) blockieren öffentlich­en Parkraum vor dem Hotel Nikko, ein anderer Uber-Fahrer (unten rechts) hält am Taxistand vor dem Hauptbahnh­of.

Newspapers in German

Newspapers from Germany