Rheinische Post Ratingen

Netflix sorgt für Unruhe auf der Berlinale

- VON PHILIPP HOLSTEIN

BERLIN Es sah so aus, als würden die letzten Festival-Tage von Dieter Kosslick als Berlinale-Chef ruhig ausklingen, doch nun gibt es Ärger. Die deutschen und die internatio­nalen Filmkunstk­inos haben gemeinsam einen Offenen Brief an Kosslick und Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters gerichtet. Sie fordern, dass der spanische Wettbewerb­sbeitrag „Elisa y Marcela“nur außer Konkurrenz laufen soll. Der Film von Regisseuri­n Isabel Coixet wurde von Netflix produziert.

Die Berlinale versteht sich als Festival für Kinofilme. Dieter Kosslick begründete die Aufnahme von „Elisa y Marcela“ins das Rennen um die Bären deshalb damit, dass Netflix zugesicher­t habe, das Werk in den spanischen Kinos zu zeigen, bevor es im Internet zu sehen ist. Das zweifeln die Autoren des Briefes jedoch an. 180 Kinos haben bisher unterzeich­net. Sie betonen, dass der Brief sich nicht gegen Film oder Regisseuri­n, sondern allein gegen das Geschäftsg­ebaren des Streamings­dienstes richtet. Er wolle ein öffentlich geförderte­s Kino-Festival als Werbeplatt­form missbrauch­en, heißt es in den Brief. Die Regeln für die Teilnahme am Festival müssten konkretisi­ert werden, fordern die Unterzeich­ner. Die Festivalle­itung versteht die Aufregung nicht. In Spanien werde der Film gezeigt, daran habe sich nichts geändert.

Ebenfalls für Unruhe sorgt die Entscheidu­ng, den Film „One Second“von Zhang Yimou, der am kommenden Freitag seine Weltpremie­re feiern sollte, aus dem Wettbewerb zu nehmen. Es habe technische Probleme bei der Postproduk­tion gegeben, heißt es offiziell. Die Produktion des chinesisch­en Regisseurs spielt zur Zeit der Kulturrevo­lution, es geht um einen Mann, der aus einem Arbeitslag­er geflohen ist. Deshalb liegt der Verdacht nahe, dass Zensur der eigentlich­e Grund für die Absage ist. Dass ein Film bei laufendem Wettbewerb aus dem Rennen genommen wird, hat es bei der Berlinale bisher nicht gegeben.

Im nächsten Jahr werden Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian die Berlinale führen. Sie müssen rasch festlegen, wie sie zu Netflix und Co stehen. Entscheidu­ngsfreudig sind die beiden immerhin: Soeben hat die Berlinale bekannt gegeben, dass die nächste Ausgabe deutlich später als sonst, nämlich am 20. Februar 2020, eröffnet wird. Also erstmals nach der Oscarverle­ihung, die im Gegenzug bereits auf den 9. Februar vorverlegt wird.

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