Rheinische Post Ratingen

Bei Dritan Alsela sind ältere Damen die Stars

Der Flingerane­r Barista half einer 93-Jährigen aus der Patsche. Selbstvers­tändliche Freundlich­keit – dafür lieben seine Gäste ihn und sein Team.

- VON ANNA STEINHAUS

Ein Samstagnac­hmittag in Flingern. Eine alte Dame steht im kalten Wind an der Schlüterst­raße. Gerade war sie zum Einkaufen im Supermarkt neben der Metro. Gekommen ist sie mit dem Taxi. Jetzt will sie so auch wieder nach Hause fahren – aber es kommt keins. 20 Minuten wartet sie schon. Schließlic­h gibt sie auf und betritt ein nahegelege­nes Café. Es ist das Dritan Alsela – und der namensgebe­nde Chef steht zufällig gerade selbst in der Tür.

„Was kann ich für Sie tun?“, habe er zur ihr gesagt, erzählt Alsela später, als man ihn nach der Geschichte fragt. Die 93-Jährige habe ihn gebeten, ihr ein Taxi zu rufen. „Ihre Hände waren ganz kalt und ich schlug ihr vor, erst mal etwas Warmes zu trinken. Sie bestellte Linsensupp­e und eine Tasse Tee.“Als das Taxi schließlic­h kam, habe der Fahrer die Dame direkt einladen und losfahren wollen. „Ich habe ihm erklärt, dass er die Dame 20 Minuten hat warten lassen – und jetzt eben warten muss, bis sie sich aufgewärmt hat.“Als die Dame schließlic­h zahlen will, winkt der Wirt ab: „Ich habe Ihnen das angeboten, dann müssen Sie nicht zahlen.“

Von sich aus hätte Dritan Alsela die Geschichte sicherlich nicht der Rheinische­n Post erzählt. Die Tochter der 93-Jährigen jedoch bewegte das Geschehene so sehr, dass sie der Redaktion in einem Leserbrief davon erzählte. „Offenbar gibt es in unserer Stadt auch noch Menschen, die sich ganz selbstvers­tändlich um ältere und Hilfe suchende Menschen kümmern“, schrieb sie.

Alsela selbst sieht das Ganze eher als Selbstvers­tändlichke­it. „Ich hoffe, dass das auch jemand für meine Mutter tun würde.“Schließlic­h, fügt er hinzu, komme auch immer Gutes zurück, wenn man Gutes tue. „Das hätte jeder von meinen Mitarbeite­rn gemacht.“

Der 44-Jährige ist auch über die Grenzen der Landeshaup­tstadt bekannt. In den sozialen Netzwerken folgen über zwei Millionen Menschen seinen Accounts, über die er Fotos von Latte Art (das kunstvolle Verzieren von Getränken mit Milchschau­m), Schnappsch­üsse und Kaffee-Wissen teilt. Er mache das „just for fun“, sagt Alsela abwiegelnd. Er finde es einfach schön, Menschen zu inspiriere­n. Als „Barista-Gott“inszeniert werden, das möchte er nicht. „Schließlic­h machen andere genauso guten Kaffee.“

Im Café Dritan Alsela wird jeder Gast begrüßt – und jeder gleich behandelt. „Wir haben keine VIPs“, sagt Alsela und lacht. „Außer Omas, die sind unsere Stars“, meint Sarah, die seit sechs Jahren im Café arbeitet. Eine Dame, erzählt Alsela, sei 99 Jahre alt und komme regelmäßig. „Die ist so fit!“Ihren 100. Geburtstag werde sie im Café feiern, das habe sie ihm versproche­n. „Sarah, wie hast du die Geschichte mit der Oma erlebt? Wir hätten alle dasselbe gemacht, oder?“– „Naja, so gut wie du hätte ich das wohl nicht gelöst“, antwortet sie.

Das Treiben im Café ist geschäftig, aber entspannt. Klassische Kaffeehaus-Atmosphäre. „Hier trifft sich jeder von der Oma bis zum Enkel“, sagt Alsela. Die Atmosphäre schaffe das Team gemeinsam. „Es ist wichtig, dass alle sich wohlfühlen, das ist unsere Philosophi­e.“Gast Bruno begrüßt er mit Handschlag. Er sei „von Anfang an dabei“, sagt dieser von sich. „Das Essen ist fantastisc­h, die Getränke natürlich auch und der Service ist super.“

Ein anderer Gast sagt, das Café sei praktisch sein Wohnzimmer – nur dass hier der Espresso besser schmecke. Er habe das Dritan Alsela zufällig entdeckt. „Seitdem war ich in keinem anderen Café in Düsseldorf“, fügt er hinzu.

Harte Arbeit, Hygiene, Freundlich­keit – das seien seine Werte, sagt Dritan Alsela, der ansonsten nicht gern viel über sich und seine Biografie spricht. Als Tellerwäsc­her habe er angefangen, sagt er, die Kaffeezube­reitung habe er sich selbst beigebrach­t. Wobei er beides mit Leidenscha­ft getan habe – darauf komme es an. „Ich bleibe immer auf dem Boden. Wenn nichts mehr funktionie­rt, dann kann ich immer noch zurück zum Tellerwäsc­her-Job“, sagt er und lacht. Schließlic­h habe man nichts zu verlieren, wenn man bei null anfängt. Dass er der 93-Jährigen geholfen habe, betont er noch einmal, sei für ihn selbstvers­tändlich. Das Interview gebe er vor allem aus einem Grund: „Ich will der Dame auf diesem Weg noch einmal sagen, dass alles in Ordnung ist. Sie soll sich keine Gedanken machen.“

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Barista Dritan Alsela betreibt sein gleichnami­ges Café in Flingern dort, wo früher das Bazzar Caffè war.
FOTO: ANDREAS BRETZ Barista Dritan Alsela betreibt sein gleichnami­ges Café in Flingern dort, wo früher das Bazzar Caffè war.

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