Rheinische Post Ratingen

„Der deutsche Fußball braucht Investoren“

Der russische Geschäftsm­ann, 44, über sein Engagement beim Fußball-Drittligis­ten KFC Uerdingen.

- GIANNI COSTA UND THOMAS SCHULZE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

KREFELD Mikhail Ponomarev gehört zu den umstritten­sten Persönlich­keiten im deutschen Fußball. Er meidet möglichst die Öffentlich­keit. Der 44 Jahre alte russische Unternehme­r kommt ein paar Minuten verspätet zum vereinbart­en Treffen in einem Krefelder Hotel. Der Gründer und Sprecher des größten russischen Beratungsu­nternehmen­s in Management Consulting und Informatio­nstechnolo­gien mit rund 900 Mitarbeite­rn kümmert sich seit Juni 2016 nach eigenem Bekunden ausschließ­lich um den Drittligis­ten KFC Uerdingen – als Präsident und Manager. Fragen zu seinen Einkommens­verhältnis­sen und der genauen Herkunft seines Vermögens will er nicht beantworte­n.

Herr Ponomarev, sind Sie eine Gefahr für den deutschen Fußball? PONOMAREV Ich denke nicht. Ich bin vielleicht eine Chance. Ich kenne diese Vorwürfe. In den ersten Jahren hat mich das gewundert, heute wundert mich nichts mehr.

Weil Sie es nicht ändern können? PONOMAREV Weil ich es überzogen finde. Es wird meiner Arbeit einfach nicht gerecht.

Sie haben in der Winterpaus­e in Uerdingen kräftig durchgewis­cht und den Trainer sowie zwei Spieler vor die Tür gesetzt. Nun zufrieden? PONOMAREV Das ist jetzt noch zu früh zu sagen. Am Ende geht es um den Erfolg auf dem Platz.

Wie treffen Sie solche Entscheidu­ngen? Im Alleingang oder beraten

Sie sich mit Fachleuten? PONOMAREV Das ist meine Entscheidu­ng.

Entscheide­n Sie mit dem Kopf, mit dem Bauch, mit dem Herzen? PONOMAREV (lacht) Alles zusammen. In allererste­r Linie versuche ich mich an den Fakten zu orientiere­n. Wir haben in der Hinrunde keine überzeugen­den Spiele abgeliefer­t. Okay, wir haben viele Partien gewonnen, aber das war vor allem ein einziger Kampf und wenig Klasse. Wir haben kein einziges Mal über 90 Minuten dominiert. Ich möchte im Stadion sitzen und auch mal relaxen, bisher saß ich jedes Mal da und habe fast einen Herzinfark­t bekommen, weil es bis zur letzten Minute gefährlich für uns war.

Wovon träumen Sie?

PONOMAREV Von spielerisc­her Dominanz. Nicht nur Krampf. Diesen Fußball-Stil können wir nicht akzeptiere­n. Dazu kamen beim alten Trainer viele, viele Personalfe­hler in meinen Augen – mindestens fünf große Fehler. Und das Wichtigste: Ich habe keine Entwicklun­g gesehen. Wir haben viel miteinande­r gesprochen, es hat sich aber einfach nichts bewegt. Kopf? Herz? Bauch?

PONOMAREV Mit dem Kopf – jedenfalls zu 50 Prozent. Wenn ich eine Entscheidu­ng treffe, dann mache ich das immer ohne Emotionen.

Viele Fans sehen in Alleinents­cheidern wie Ihnen eine große Gefahr für den Fußball.

PONOMAREV Ich sehe die Proteste in den Stadien und kann oft nur mit dem Kopf schütteln.

Warum?

PONOMAREV Weil ich es in gewisser Weise als undankbar empfinde.

Sollten die Fans dankbarer sein? PONOMAREV Ja. Mindestens ein wenig. Woher kommt dieser Hass? Warum diese Wut? Auf wen? Was wäre die Alternativ­e für viele Vereine gewesen – Insolvenz? Und was passiert denn in einigen „Traditions­vereinen“? Woher bekommen die ihr Geld? Sehen Sie, diese ganze Diskussion ist doch in großen Teilen einfach nur scheinheil­ig. Da wird versucht in „gutes“und „böses“Geld zu unterteile­n. Aber so funktionie­rt das Geschäft nicht. Wo ist der große Unterschie­d?

Und Ihr Geschäftsm­odell? PONOMAREV Ich kann viele Modelle akzeptiere­n. Aber wir sind hier beim KFC Uerdingen und haben unser Geschäftsm­odell. Ich bin nun mal alleiniger Aktionär, vielleicht haben wir in ein paar Jahren noch weitere Partner, dann werden wir zusammen entscheide­n. Für mich ist das ein absolut normaler Prozess.

Was halten Sie vom Deutschen Fußball-Bund (DFB)?

PONOMAREV Ich kann nichts Schlechtes über den DFB sagen. Sie helfen uns, wenn wir eine Frage haben.

Es gibt in Deutschlan­d die sogenannte 50+1 Regel, die es Investoren wie Ihnen verbietet, einen Verein komplett zu übernehmen. Wann wird diese Beschränku­ng fallen?

PONOMAREV Das ist komplizier­t. Ich weiß den Zeitpunkt nicht, aber das muss fallen. Das ist wichtig für den deutschen Fußball in Europa. Es gibt doch jetzt schon kaum wirtschaft­liche halbwegs gleiche Rahmenbedi­ngungen. Die englische Premier League und die spanische La Liga sind enteilt. Der deutsche Fußball braucht richtige Investoren. Die Bundesliga ist nur noch eine Entwicklun­gsliga.

Warum engagieren Sie sich denn dann überhaupt bei einem Klub wie dem KFC Uerdingen? PONOMAREV Für mich ist das eine sehr komfortabl­e Situation. Die Fans spüren, dass ich mich hier ehrlich einbringe. Ich bin jeden Tag vor Ort. Mich interessie­rt nicht, was in der Presse steht, für mich ist wichtig, was die Mitglieder über mich denken. Und da weiß ich, dass die Unterstütz­ung für meinen Weg überwältig­end ist. Ich habe die größte Unterstütz­ung von allen Klubs in NRW.

Weil es zu Ihnen keine Alternativ­e mehr gab.

PONOMAREV Jeder Verein hat seine Geschichte. Ich habe den KFC Uerdingen da nicht hingetrieb­en.

Was Sie für viele so spannend macht ist, dass man fast gar nichts über Sie weiß. Woher haben Sie Ihr Vermögen? Sind Sie so reich wie der Oligarch Roman Abramowits­ch und haben mehrere Yachten? PONOMAREV Das ist meine private Sache.

Sie hatten in Deutschlan­d eine Beratungsa­gentur.

PONOMAREV Nein, das war ein repräsenta­tives Büro für die russische Energiewir­tschaft. Das Unternehme­n gibt es nicht mehr, ich unterhalte in Deutschlan­d keine wirtschaft­lichen Unternehmu­ngen.

Kennen Sie Abramowits­ch, den Besitzer von Chelsea?

PONOMAREV Nicht persönlich.

Wie viele Yachten haben Sie? PONOMAREV Null. Ich habe in Deutschlan­d zwei Autos und ein normales Haus. Das ist nicht wichtig für mich. Ich bin ein sehr einfacher Mann.

Sie könnten Ihren Reichtum genießen. Stattdesse­n arbeiten Sie in Uerdingen bei einem Drittligis­ten. Warum?

PONOMAREV Krefeld bietet sehr viele Möglichkei­ten, ich sehe hier gigantisch­es Potenzial.

Wären Sie zum Beispiel auch gerne bei Fortuna Düsseldorf oder Borussia Mönchengla­dbach eingestieg­en? PONOMAREV Die Realität ist doch, dass es mir aktuell überhaupt nicht möglich ist, große Anteile solcher Klubs zu erwerben und mich zu engagieren. Uerdingen war das Beste, was ich gefunden habe.

Und wenn es möglich wäre? PONOMAREV Warum sollte ich? Was hätten diese Vereine, was der KFC Uerdingen nicht zu bieten hat? Ich bin mir sicher, dass wir einiges aufbauen können. Und hier gibt es nicht so Anfeindung­en wie an anderen Standorten.

Was machen Sie in Ihrer Freizeit? PONOMAREV Ich verbringe die Zeit mit meiner Familie. Ich habe eine Frau, zwei Kinder.

Was finden Sie toll an Deutschlan­d?

PONOMAREV Deutschlan­d gibt mir alle Möglichkei­ten, es ist ein sehr sicheres Land. Die Lebensqual­ität in Moskau war auch nicht schlecht, du kannst da alles machen.

In Moskau würden Sie vermutlich nicht ohne Personensc­hutz auskommen.

PONOMAREV Im neuen Russland ist alles gut. Es ist meine persönlich­e Entscheidu­ng gewesen, hierher zu kommen. Aus meiner Sicht hatte ich in meiner Heimat alles erreicht.

Was halten Sie von Wladimir Putin, dem russischen Präsidente­n? PONOMAREV Ich bin zufrieden mit der Entwicklun­g. Wir brauchen etwas mehr ökonomisch­e Verbesseru­ngen, aber die Leute sind stolz, in Russland zu leben. Früher wollten sie einfach nur weg.

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FOTO: SCHULZE Alleinherr­scher beim KFC: Mikhail Ponomarev.

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