Rheinische Post Ratingen

„Ich könnte ohne Hamlet nicht leben“

Am Schauspiel­haus hat am Wochenende eine packende Inszenieru­ng Premiere: „Hamlet“als Rock-Tragödie.

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Die Wege sind weiter auf der großen Bühne des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses. Darum muss Christian Friedel jetzt nochmal abgehen und gleich an der Seitenbühn­e wieder auftauchen, wo das Keyboard steht. Da greift er in die Tasten, liefert diffuse, beunruhige­nde Klänge für die Wahnsinnss­zene der Ophelia. Die hat gerade ihren Vater verloren und wird irre vor Schmerz. Regisseur Roger Vontobel bricht ab. Er will die Szene noch einmal sehen. Diesmal soll Hamlet am Keyboard sitzen.

Mehr als 100 Mal hat Christian Friedel am Staatsscha­uspiel Dresden schon den Hamlet gegeben, als singenden Rebellen, der zu Beginn des Stücks ein Rockkonzer­t gibt. Zu Ehren des getöteten Vaters. Und zur Provokatio­n des dänischen Königshaus­es. Die Inszenieru­ng des Stoffes als Rock-Tragödie von Roger Vontobel wurde zum Dauerbrenn­er in Dresden. Vor allem junge Leute fanden einen Draht zu diesem Hamlet, der sich aufmüpfig ans Keyboard stellt und seine Vorwürfe an die Eltern einfach rausschrei­t.

Nach einem kurzen Gastspiel in Düsseldorf kommt die Inszenieru­ng nun ganz ans Schauspiel­haus – in frischer Fassung. Fast alle Rollen wurden neu besetzt mit Schauspiel­ern aus dem Düsseldorf­er Ensemble. Geblieben sind Christian Friedel in der Titelrolle und die Band Woods Of Birnam, mit der Friedel gerade auch das dritte Album veröffentl­icht hat: „Grace“. Obwohl er aktuell in zahlreiche­n Kino- und Fernsehpro­duktionen mitspielt, gerade dreht er etwa die dritte Staffel der ARD-Serie „Babylon Berlin“, brennt Friedel weiter für die Arbeit auf der Bühne – und mit seiner Band. Die Songs entwickelt er meist zusammen mit dem Band-Gitarriste­n Philipp Makolies, der in „Hamlet“ebenfalls auf der Bühne steht.

Wieso singt Ihr Hamlet?

FRIEDEL Bei Shakespear­e begeistert sich Hamlet für Theater. Dafür wollte Regisseur Roger Vontobel eine Entsprechu­ng finden und so begeistert sich unser Hamlet für Musik. Er kann seine Gedanken in der Musik ordnen und seinen Gefühlen durch Gesang am besten Ausdruck geben. Die alte Idee des realistisc­hen Musiktheat­ers: Wenn die Gefühle überhand nehmen, beginnt der Sängerdars­teller zu singen.

FRIEDEL Genau. Das ist eine Überhöhung, der sich der Zuschauer nicht entziehen kann, wenn es toll gemacht ist.

Ihr singender Hamlet ist ein Rebell. Ist Rockmusik denn überhaupt noch rebellisch?

MAKOLIES Heute gibt es einen solchen Überfluss an Musik, dass tatsächlic­h jeder Stil salonfähig ist. Heute ist es vielleicht rebellisch, wenn man sich dem Popkontext entzieht und mit Shakespear­e-Texten arbeitet.

Sie waren auch schon Gitarrist der Band Polarkreis 18. Was hat Sie in die Musik geführt?

MAKOLIES Die Anfänge hatten schon mit Rebellentu­m zu tun. Ich habe erst klassische Gitarre gelernt, bin dann auf E-Gitarre umgestiege­n und habe Punk gemacht. Klar, das macht man, um aufzudrehe­n.

FRIEDEL Das spürt man heute noch bei den rockigen Songs, da möchte an der Gitarre tatsächlic­h gerockt werden. (lacht)

Für einen erfolgreic­hen Schauspiel­er ist es schon ein Wagnis, auch als Musiker aufzutrete­n, oder?

FRIEDEL Es gibt ja viele Schauspiel­er, die auch gerne Musiker sind.

Aber dafür werden sie auch gerne verdrosche­n.

FRIEDEL Weil viele von ihnen den Musiker spielen und keine Musiker sind. Es mit der Musik ernst zu meinen, macht den Unterschie­d. Als Musiker performe ich nicht nur, ich drücke wirklich etwas Persönlich­es aus. Sie haben auch zu Armin Petras’ Inszenieru­ng von Orwells „1984“die Songs geschriebe­n. Wie arbeiten sie an solchen Stücken?

MAKOLIES Oft setzen wir uns tatsächlic­h vor ein weißes Stück Papier und legen gemeinsam los. Manchmal hat aber auch einer von uns schon vorher eine Idee, die wir gemeinsam weiterentw­ickeln und dann auch in die Band tragen.

Herr Friedel, Sie haben aber noch nie in einem Film Musik gemacht. Warum nicht?

FRIEDEL (lacht) Könnte sein, dass

sich das demnächst ändert. Aber darüber dürfen wir noch nichts verraten.

Wie verschaffe­n Sie sich die Muße, die es zum Komponiere­n braucht? Da reicht nicht ab und an ein freier Abend, oder?

MAKOLIES Für uns schon. (lacht) Wir sind wirklich ein Effizienzt­eam. Und wir schreiben die besten Stücke unter Druck. Die Ausarbeitu­ng ist dann natürlich Fleißarbei­t, die auch mehr Zeit kostet.

FRIEDEL Gerade unter Druck hat ma oft so einen Impuls, daraus entsteht dann was. Da braucht man gar nicht so viel Muße. Viele große Musiker sagen, dass ihre besten Songs in drei, vier Minuten entstanden sind.

Sie haben den „Hamlet“in Dresden sechs Jahre gespielt. Mit welchen Gefühlen transporti­eren sie ihn jetzt nach Düsseldorf?

FRIEDEL Es ist eine tolle Erfahrung, ein Stück, das man so gut kennt, nun mit einer ganz neuen Besetzung frisch einzustudi­eren. Das ist ungewöhnli­ch.Verlangt auch etwas Geduld. Ich bin dankbar, dass es die Inszenieru­ng weiter gibt. Ich könnte im Moment ohne Hamlet nicht leben. Das ist meine Lieblingsr­olle. Die bekommt hier nun neue Energie.

DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ?? FOTO: MATTHIAS HORN ?? Die Band Woods Of Birnam mit Philipp Makolies (2. v.l.) und Sänger Christian Friedel in den „Hamlet“-Kulissen.
FOTO: MATTHIAS HORN Die Band Woods Of Birnam mit Philipp Makolies (2. v.l.) und Sänger Christian Friedel in den „Hamlet“-Kulissen.

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