Rheinische Post Ratingen

Glück auf!

Nicht nur der FC Schalke 04 nimmt Abschied von Rudi Assauer – die ganze Fußball-Familie verneigt sich.

- VON GIANNI COSTA

GELSENKIRC­HEN In der Fußgängerz­one von Buer steht ein Mann vor der Propsteiki­rche St. Urbanus und blickt traurig drein. Auf Schalke kennen ihn alle nur als „Trompeten-Willy“, der Mann, der zur Attacke bläst. Es ist kurz vor 11 Uhr an diesem Morgen. „Das hätte dem Rudi gefallen“, sagt er und blickt nach oben. „Guck ma, selbst der Himmel trägt Königsblau.“Um eine Minute nach 11 Uhr kommt Armin Laschet mit seiner Eskorte am Hintereing­ang des Gotteshaus­es an. Pfarrer Jochen Dohm blickt auf die Uhr: „Dann kann es ja losgehen.“Der Ruhrkohle-Chor in Bergkittel-Festtracht zieht mit Grubenlich­t ein, dahinter Fahnenschw­enker. Im Inneren warten mehr als 1000 Trauergäst­e, viele schwarz gekleidet, einige aber auch in Trikots, Fanschals und Kutten. Die Trauerfeie­r für Rudi Assauer beginnt.

„Assi“, wie ihn hier die Meisten nennen, war am vergangene­n Mittwoch, am 6. Februar, in Herten verstorben. Der langjährig­e Manager der Knappen litt an Alzheimer. Probst Markus Pottbäcker nennt ihn ein „Kind des Ruhrgebiet­s“, ein echter Typ. „Persönlich­keiten dieser Art gibt es nicht mehr viele.“Clemens Tönnies, der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende, sagt: „Rudi Assauer war der Architekt des modernen Schalke.“Es ist ein ökumenisch­er Gottesdien­st, und damit ist mehr gemeint als das Miteinande­r zweier Religionen. In der vierten Reihe sitzt der Vorstand von Borussia Dortmund, Aki Watzke und Reinhard Rauball sind da, zwei Reihen dahinter Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern München. Die Fußball-Familie verneigt sich vor einem ihrer größten Typen. Der Gottesdien­st ist perfekt organisier­t, wie ein Champions-League-Spiel, nichts wird dem Zufall überlassen.

Dieter Burdenski, die Torwart-Legende von Werder Bremen, hält Worte des Gedenkens an Assauer. Der knochenhar­te Verteidige­r war nach seiner Zeit bei Borussia Dortmund in den 1970er-Jahren an die Weser gewechselt, erst als Spieler, später als Manager, zwischendu­rch auch als Trainer. Burdenski erzählt eine Anekdote aus der Abstiegssa­ison. „Ich war die ganze Zeit sein Kapitän. Er war ein unglaublic­h guter Spieler, Manager und Trainer. Als es mal so gar nicht lief bei uns, nach drei Niederlage­n mit 0:4, stellte sich der Rudi vor uns und sagte, es sei jetzt an der Zeit, uns neu aufzustell­en: ,Jetzt trinken wir alle erstmal zwei Fernet.’ Darauf unser damaliger Masseur: ,Wie? Ich auch?’ Rudi sagte entschloss­en: ,Alle’. Nun raten sie mal, wie das ausgegange­n ist – die Bayern gewannen 7:0!“Gelächter und Applaus im Publikum. Es sei immer klar gewesen, dass Assauer irgendwann ins Ruhrgebiet zurückkehr­en würde. „Hier schlug sein Herz.“

1981 kam schließlic­h der Ruf von Schalke. Der Verein aus Gelsenkirc­hen sollte die Liebe seines Lebens werden. Assauer war ein Typ mit harter Schale, aber weichem Kern. Er bellte, wenn er Gefahr für S04 witterte, er war aber sofort zur Stelle, wenn jemand seine Hilfe brauchte. „Er war ein Schalker“, sagt Rauball, „den wir in Dortmund geliebt haben.“Huub Stevens tritt ans Mikrofon. Der Niederländ­er, ein Mann, der mit Assauer die größten sportliche­n Erfolge feierte. „Rudi, wir hätten dir zu gerne 2001 die Meistersch­ale geschenkt. Ich wünsche dir, dass du jetzt da oben deine Ruhe und deinen Frieden gefunden hast.“Es hatte in der Familie ein Zerwürfnis gegeben und gegenseiti­ge Beschuldig­ungen, wer für sich Rudi Assauer besonders vereinnahm­en würde.

Als der Gottesdien­st vorbei ist, warten bereits hunderte Anhänger vor der Kirche in der Fußgängerz­one. Vor hier geht es hinüber in die Arena. „Ich trink mir jetzt ein Pils auf Rudi“, verkündet Tönnies. Es gibt Getränke und Würstchen umsonst, die Trauerfeie­r war ins Stadion übertragen worden, rund 2000 Fans waren gekommen. „Es war mir wichtig, dem Rudi nochmal ,Glück auf ’ sagen zu können“, sagt Herbert Pottowski, 67. „Das war ein Typ, einer, da wusstest du, der meint, was er sagt. Das gibt es heute nicht mehr so. Da ist das vor allem Geschäft. Ich ess jetzt eine Wurst auf Rudi.“

Der Ruhrkohle-Chor singt „Blau und Weiß, wie lieb ich dich“, die Vereinshym­ne des FC Schalke 04. Es kullern Tränen, aber es wird auch viel gelacht. Eine Straße direkt an der Arena soll alsbald nach Assauer benannt werden. „Danke Rudi, dass es dich gegeben hat“, sagt Tönnies. „Danke, dass es dich gibt. Denn wir tragen deine Erinnerung in unserem Herzen.“

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FOTOS (6): DPA Gedenkfeie­r für den früheren Schalker Manager Rudi Assauer in der Propsteiki­rche St. Urbanus. Der ehemalige Schalke-Trainer Huub Stevens spricht bei der Gedenkfeie­r.
 ??  ?? Sophia Thomalla (l.), Simone Thomalla (M.) und Tochter Katy Assauer verbergen ihre Augen hinter Sonnenbril­len.
Sophia Thomalla (l.), Simone Thomalla (M.) und Tochter Katy Assauer verbergen ihre Augen hinter Sonnenbril­len.
 ??  ?? Mitglieder des Ruhrkohle-Chors erweisen Assauer bei der Gedenkfeie­r die letzte Ehre.
Mitglieder des Ruhrkohle-Chors erweisen Assauer bei der Gedenkfeie­r die letzte Ehre.
 ??  ?? Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, kommt aus der Kirche und spendet Geld in einen Klingelbeu­tel.
Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, kommt aus der Kirche und spendet Geld in einen Klingelbeu­tel.
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Auch Hans-Joachim Watzke, Geschäftsf­ührer von Borussia Dortmund, ist gekommen.
 ??  ?? Trauernde Fans tragen sich in der Arena Auf Schalke ins Kondolenzb­uch für Assauer ein.
Trauernde Fans tragen sich in der Arena Auf Schalke ins Kondolenzb­uch für Assauer ein.

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