Rheinische Post Ratingen

Besuch in Karlsruhe

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Eine Gruppe von 16 im Kreis Mettmann lebenden Flüchtling­en hat als Höhepunkt ihrer Rechtskund­e-Seminare beim Caritasver­band für den Kreis Mettmann unlängst das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe besucht. So wurde für die Kursteilne­hmer das Grundgeset­z sprichwört­lich greifbar.

Nach dem Passieren einer kleinen Sicherheit­sschleuse stand allen Beteiligte­n das hohe Gericht mit seinen Aufgabenbe­reichen offen, was die Teilnehmer außerorden­tlich beeindruck­te. Eine engagierte Mitarbeite­rin der Presseabte­ilung des BVerfG informiert­e engagiert und war offen für viele Fragen. Nachhaltig­en Eindruck machte auf die Geflüchtet­en sowohl der Kontakt mit den Mitarbeite­rn der Justiz während der Kurse als auch die Freiheit und Offenheit, die ihnen im BVerfG entgegenge­bracht wurde.

Der Fachdienst für Integratio­n und Migration (FIM) des Caritasver­bands hatte die 20-stündigen Rechtskund­e-Kurse mit Unterstütz­ung des Integratio­nsminister­iums und des Justizmini­steriums während der vergangene­n beiden Jahre angeboten und dabei rund 90 Interessen­ten erreicht. Themen der Kurse waren die Grundrecht­e in der Verfassung: Gleichstel­lung der Geschlecht­er, Menschenwü­rde und -rechte, die Gewaltente­ilung und das Wahlrecht. Außerdem thematisie­rt wurden Grundlagen von Straf-, Zivil- und Arbeitsrec­ht.

„Wir erwarten von allen, die zu uns kommen, dass sie unsere demokratis­chen Grundrecht­e und die sich daraus ableitende­n Werte kennen und respektier­en“, erläutert FIM-Leiter Martin Sahler. Mit dem Kursangebo­t bestehe die Möglichkei­t, unsere Rechte und Pflichten zum Zusammenle­ben in der Gesellscha­ft frühzeitig und nachdrückl­ich zu vermitteln. So ist unter anderem der Besuch eines örtlichen Amtsgerich­ts Teil des „Lehrplans“.

Mit Unterstütz­ung von Sprachund Integratio­nslotsen, die dabei halfen, Sprachbarr­ieren zu überwinden, hatte die Caritas die Kurse in Ratingen, Mettmann, Haan und Erkrath durchgefüh­rt. Dank der Übersetzun­gstätigkei­t konnten die Dozentinne­n – Richterinn­en und Rechtsanwä­ltinnen – komplizier­te Themen vermitteln, etwa: unser Wahlsystem, das Gewaltmono­pol des Staates und den Aufbau der parlamenta­rischen Gremien. „Verwunderl­ich ist es eigentlich nicht, dass sich die Kursteilne­hmer in ihren Heimatländ­ern kaum dafür interessie­ren würden: Ihre eigene Verfassung zu verstehen, lohnt nicht, da die Inhalte nicht umgesetzt werden“, urteilte etwa ein syrischer Kursabsolv­ent.

Rechtsanwä­ltin Derya Er, eine der Dozentinne­n, unterstrei­cht: „Mit dem Rechtsstaa­tsunterric­ht für Flüchtling­e haben wir einen Nerv getroffen.“Ähnlich äußerte sich Caritas-Mitarbeite­r Osama Abdel Aleem, der selbst aus dem arabischen Kulturraum stammt und das Angebot organisier­t hatte. Er staunte darüber, dass alle ein ungewöhnli­ch hohes Interesse an der langen Fahrt nach Karlsruhe gezeigt hätten. „Beim Bundesverf­assungsger­icht agierten sie neugierig und diskussion­sfreudig. Die grundliege­nde Herausford­erung ist, ihnen bewusst zu machen, dass die deutsche Demokratie nicht nur auf dem Papier steht - wie etwa in einigen der Herkunftsl­änder – sondern tatsächlic­h Grundlage unseres Zusammenle­bens ist.“

Die Richter und Anwälte, welche die Kurse ehrenamtli­ch durchgefüh­rt hatten, zeigten sich ebenfalls erfreut über das hohe Interesse Geflüchtet­er, Grundgeset­z und demokratis­che Grundlagen von Expertinne­n nahegebrac­ht zu bekommen.

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FOTOS (2): CARITAS 16 Flüchtling­e aus dem Kreis Mettmann besuchten vor kurzem das Bundesverf­assungsger­icht und nahmen dort an einer Führung teil.
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Aufmerksam verfolgten die Besucher die Erläuterun­gen einer Mitarbeite­rin.

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