Stunde null im Vatikan
Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ist seit Jahrzehnten bekannt. Jetzt findet ein Gipfel statt. Wirklichen Fortschritt wird er aber nicht bringen – weil die entscheidenden Fragen nicht zur Entscheidung stehen.
Es ist knapp 20 Jahre her, dass das Ausmaß sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung in der katholischen Kirche erkennbar wurde. Von Donnerstag an will sich nun die Führungsebene der Kirche erstmals auf globaler Ebene mit dem Thema auseinandersetzen. Vier Tage lang treffen sich die Vorsitzenden der 113 katholischen Bischofskonferenzen, Ordensobere, die Chefs der Kurienbehörden und Papst Franziskus, um über Missbrauch zu diskutieren.
Am Wochenende setzte Franziskus im Vorfeld der Konferenz ein Zeichen. Er entließ den ehemaligen Erzbischof von Washington und früheren Verbündeten, Theodore McCarrick, aus dem Priesterstand. Der 88-Jährige, dem Franziskus bereits im Juli die Kardinalswürde aberkannt hatte, sei in einer Untersuchung der Glaubenskongregation des sexuellen Fehlverhaltens für schuldig befunden worden. McCarrick hat in den 80er und 90er Jahren als Bischof in den USA mehrere Minderjährige und Priesteramtskandidaten sexuell missbraucht. Der Papst wolle mit der Entscheidung seine Linie der „null Toleranz“im Hinblick auf Missbrauch untermauern, heißt es vom Vatikan.
Angesichts der Größe und Bedeutung ist das Bischofstreffen extrem kurz. Mehr als die generelle Auseinandersetzung mit der Frage des Umgangs mit sexuellem Missbrauch ist nicht zu erwarten. Zu Beginn der Konferenz mit dem unverfänglich klingenden Titel „Der Schutz von Minderjährigen in der Kirche“sollen den Teilnehmern per Video Aussagen von Betroffenen aus allen Kontinenten der Welt vorgespielt werden. Auch während der Konferenz werden Opfer zu Wort kommen. Papst Franziskus hatte die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vorher aufgefordert, Betroffene zu persönlichen Gesprächen zu bitten. So sollten auch die Bischöfe sensibilisiert werden, in deren Kulturkreisen man immer noch nicht über sexuellen Missbrauch spricht.
Wie groß die Unterschiede weltweit bei der Wahrnehmung des Themas Missbrauch sind, war bei der Bischofssynode zum Thema Jugend im Oktober sichtbar geworden, als sich vor allem Bischöfe aus Afrika und Asien, aber auch aus Italien dagegen wehrten, die Formulierung „null Toleranz“im Hinblick auf Missbrauch in das Abschlussdokument aufzunehmen. „Sexueller Missbrauch ist nicht nur ein europäisches, angelsächsisches oder westliches Problem, sondern kommt auf der ganzen Welt vor, auch dort, wo nicht darüber gesprochen wird“, sagt der deutsche Jesuit und Psychologe Hans Zollner. Er ist einer der Organisatoren der Konferenz.
Die Erwartungen an das Treffen, das 18 Jahre nach den ersten großen Enthüllungen in den USA stattfindet, sind hoch. Die Männer des Papstes versuchen deshalb, die „übersteigerte Erwartungshaltung“der Öffentlichkeit an die Konferenz kenntlich zu machen. „Wenn einer denkt, in dreieinhalb Tagen könne man das Problem definitiv lösen, ist das realitätsfern“, sagt Pater Federico Lombardi. Der ehemalige Vatikansprecher moderiert die Veranstaltung, die im Plenum, aber auch in Sprachgruppen stattfinden wird und einer Synode ähnelt. Fünf Kardinäle, darunter der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, ein Erzbischof, aber auch drei Frauen werden Impulsreferate halten. Eine Bußliturgie sowie eine Abschlussmesse finden statt, aber im Apostolischen Palast ohne Teilnahme der Öffentlichkeit. Ein Abschlussbericht mit konkreten Zielen, Forderungen oder gar Anordnungen ist nicht geplant. Der Papst wird ein Schlusswort halten. Wie es nach der Konferenz weitergeht, hängt ganz von Franziskus ab.
Im Vorhinein teilte der Vatikan mit, es sei wesentlich, dass die Bischöfe nach ihrer Rückkehr aus Rom „die anzuwendenden
„Wenn einer denkt, in dreieinhalb Tagen könne man das Problem definitiv lösen, ist das realitätsfern“Federico Lombardi Ehemaliger Vatikansprecher