Wie ein Ratinger mit der Ausgangssperre lebt
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, hat Spanien eine Ausgangssperre verhängt. Wie lebt es sich damit?
RATINGEN Der in Ratingen aufgewachsene Nils Becker wohnt und arbeitet in der spanischen Metropole Barcelona. Eine pulsierende Stadt – eigentlich. Denn momentan steht das öffentliche Leben weitgehend still. Aufgrund der Corona-Krise herrscht in Spanien seit Anfang der Woche eine Ausgangssperre.
„Wir dürfen das Haus oder die Wohnung aktuell nur verlassen, um Lebensmittel zu kaufen und um zur Apotheke oder zum Arzt zu gehen. Banken und Tankstellen haben auch noch geöffnet, um die Grundbedürfnisse zu decken“, sagt der 39-Jährige. Hundebesitzer dürfen noch um den Block gehen, jedoch immer nur eine Person. Auch der Weg zur Arbeit bildet eine Ausnahme. Kontrolliert wird das ganze durch die Polizei. Wer sich unerlaubterweise Grund draußen aufhält, dem drohen Strafzahlungen zwischen 300 und 1000 Euro, schildert Becker.
Er lebt seit fast acht Jahren in Barcelona, mitten in der Stadt, in einem Viertel, in dem normalerweise fast rund um die Uhr etwas los ist. Wenn er aus dem Fenster schaut, sieht er hin und wieder mal ein Auto fahren. „Ich habe noch nie so viele Nachbarn auf ihren Balkonen gesehen wie jetzt“, sagt der 39-Jährige. Seinen Job als Advertising Sales Manager kann Becker auch von zuhause ausüben. „Ich bin vorsichtshalber schon eine Woche vor der Ausgangssperre dazu übergegangen, von hier aus zu arbeiten“, sagt er.
Becker hat den Eindruck, dass die Auflagen in der spanischen Bevölkerung gut angenommen werden. „Ich glaube, viele haben den Ernst der Lage begriffen. Und auch wenn es bedrückend ist, bleiben viele noch recht entspannt, aber nicht nachlässig.“Über das Fernsehprogramm werden in jedem Werbeblock auch Spots ausgestrahlt, die die Bevölkerung auf die Bestimmungen hinweist. Obwohl die Ausgangssperre ein tiefgreifender Einschnitt in das Leben der Menschen ist, kommt Becker damit aktuell gut zurecht. „Ich kann von zu Hause arbeiten, das ist schon mal wichtig. Aber ich bin generell ein Mensch, der gerne zu Hause ist. Andere trifft das wahrscheinlich härter“, sagt er. Über die sozialen Medien hält er Kontakt zu seinen Freunden, die er momentan nun mal nicht besuchen darf. „Kürzlich habe ich von einem Freund erfahren, dass er im Krankenhaus liegt, hohes Fieber hatte und sogar künstlich beatmet werden musste.
Inzwischen geht es ihm zum Glück etwas besser.“
Falls es auch in Deutschland zu einer Ausgangssperre kommen sollte, hat Becker folgenden Ratschlag: „Ich denke, man sollte einfach versuchen, recht rational und entspannt in diese Situation zu gehen. Sich für ein paar Tage – nicht Wochen – mit den wichtigsten Lebensmitteln und Utensilien bevorraten. Aber keine Panik schieben oder Hamsterkäufe tätigen. Für Leute, die von zu Hause arbeiten können, ist es zudem wahrscheinlich etwas einfacher, einen normalen Tagesablauf aufrecht zu erhalten. Für alle anderen empfehle ich, sich trotzdem am gewohnten Rhythmus zu orientieren.“
Spanien ist nach Italien das am stärksten vom Coronavirus SarsCov-2 betroffene Land in Europa, weltweit gibt es nur in China in Italien mehr Erkrankte. Knapp 20.000 Menschen wurden bereits positiv getestet, mehr als 1000 starben an den Folgen.