Fake News klicken gut
Falschmeldungen sind Viren der digitalen Welt. Was hilft? Die gute alte Tageszeitung.
Die Sprachnachricht klang besorgniserregend. Eine Freundin hatte diese hochgeheimen News von einer anderen Freundin erhalten, die sie wiederum von einer Freundin habe, deren Freundin in einer Uni-Klinik arbeite: Ein rezeptfreies und verbreitetes Schmerzmittel sei auf keinen Fall einzunehmen, da es das Ausbreiten des Virus begünstige. Ach du Schreck, dachte ich, und stürzte zum Medizinschrank.
Schon bald stellte sich die Geheimnachricht als Unsinn heraus. Ähnlich verhielt es sich mit dem Ratschlag, viel Wasser zu trinken, oder Selbsttests mittels Luftanhalten. Zum Glück hat der digitale Kapitalismus noch eine ganze Menge großartiger Journalistenkollegen übrig gelassen, die ihren Beruf gelernt haben und ernst nehmen. Sie steigen derlei Gerüchten hinterher, konsultieren Experten und erklären unaufgeregt. So bleiben die von den Milliardenkonzernen üblicherweise ungeprüften Enten einigermaßen auf sozialer Distanz. Denn Fake News sind schlimmer als das Virus selbst. Sie verbreiten sich in affenartiger Geschwindigkeit und infizieren zahllose Menschen mit einer Krankheit namens Panik.
Und wieder sind wir bei einem der größten Ärgernisse der Digitalisierung: Milliardenunternehmen, die Bockmist verbreiten und damit bestens verdienen. Je mehr Drama, desto besser: Dreck klickt gut und verkauft mehr Reklame. Die angeblichen Aufpasser kommen nicht hinterher, den Mist wegräumen dürfen die klassischen Medien.
In der Krise merken wir, auf wen Verlass ist: Unser – wenn auch reformierungsbedürftiges – Mediensystem. Es sorgt für zuverlässige Information, unaufgeregte Fakten und Gelassenheit. Der Daueralarm im Netz macht aggressiv, ängstlich und süchtig.