Der Bildhauer, Zeichner und Maler Hermann Focke ist 96-jährig gestorben. Bekannt wurde er durch seine originellen Papierarbeiten.
Nur der Wandel ist beständig. Für kaum einen Künstler gilt das so sehr wie für den Düsseldorfer Hermann Focke. Von kleinen Tierplastiken führte ihn der Weg über Aufträge für Kirchen, ungegenständliche Zeichnungen und erneut figürliche Arbeiten bis zu jenen Faltobjekten, in denen er seine Erfüllung fand. Am 26. März ist der aus Westfalen stammende Künstler, wie erst jetzt bekannt wurde, 96-jährig in seiner Wahlheimat Düsseldorf gestorben.
Die schönsten Fotografien erinnern an ihn als an einen Menschen, der sich in seinem häuslichen Werkstattwust sichtlich wohl fühlte: inmitten gestapelter Kleinstvitrinen mit seinen filigran geometrischen Schöpfungen aus Papier, daneben auf dem Boden an Wände gelehnte Gemälde und manch Halbfertiges auf dem Arbeitstisch. Lange hatte er warten müssen, bis die städtische Wohngesellschaft ihm eines der begehrten Atelierhäuser in Golzheim vermietete.
Mit vielen Altersgenossen teilte Focke den Dienst in der deutschen Wehrmacht, anschließende Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion und einen verzögerten Beginn des Studiums. An der Werkkunstschule Münster fand er in Hugo Kükelhaus, dem Theoretiker und Praktiker der Kunstpädagogik, den ersten seiner beiden Leitsterne. Der zweite war anschließend in der Düsseldorfer Akademie der Bildhauer Ewald Mataré. Dicht an diesem Vorbild begann er wie sein Kommilitone Joseph Beuys mit Tierplastiken.
Als er nach dem Studium in die wagemutige Existenz eines freischaffenden Künstlers wechselte, hielt er sich mit Aufträgen für Kirchen über Wasser. So entstand 1965 für die evangelische Bethlehemkirche in Meerbusch-Büderich ein Portal. In den 80ern folgten ein Stern für den Glockenturm und ein Kreuz für den Altar.
Nach 1965 kehrte Focke sich für zwei Jahrzehnte von den plastischen
Arbeiten ab und konzentrierte sich aufs ungegenständliche Zeichnen, doch nur für fünf Jahre. Dann wandte er sich erneut gegenständlichen Bildwelten zu: Kopf- und Körperfragmenten, zuweilen erotisch aufgeladen.
Noch etwas änderte sich: In Focke erwachte die Reiselust. Japan, Korea, Russland, Armenien, Georgien und Aserbaidschan waren seine Ziele, mehrfach fuhr er nach Paris.
Vor allem seine Erfahrungen in Ostasien schlugen sich in seiner Arbeit nieder: das Wechselspiel von Fülle und Leere, Bewegung und Ruhe, Yin und Yang, diesen beiden einander entgegengesetzten und sich zugleich ergänzenden Kräften nach Darstellung der chinesischen Philosophie. Zahlreiche Kalligrafien gingen daraus hervor.
Von 1986 an wurde es in Fockes Atelier wieder dreidimensional. Japan
hatte ihn zu Faltarbeiten mit Papier angeregt, und er führte diese Kunst auf seine Weise fort. Er zeichnete Dreiecke, Sechs- und Achtecke auf Papier, fotokopierte und faltete sie, so dass daraus ungegenständliche filigrane Gebilde erwuchsen. Wie Yin und Yang verbinden sich darin geometrische Strenge und Poesie. Kükelhaus‘ Zahlensymbolik liegt dieser Kunst zugrunde und die Proportionslehre der italienischen
Renaissance. Ebenso fanden Formen der Natur Eingang, auffällig oft Kristalle, die sich mit Organischem verbinden.
Mit den Faltarbeiten sah Focke sich am Ziel, mit ihnen hatte er seine Sprache gefunden. Einige dieser Kompositionen setzte er in Zinkblech und Kupfer um und vergrößerte sie zu Skulpturen, wie sie heute im Innenhof seines Atelierhauses im Sonnenlicht erstrahlen.
Durch die Jahrzehnte waren Fockes Arbeiten immer wieder in der „Großen Düsseldorfer“im Kunstpalast präsent. Verdientermaßen wurde ihm, dem nicht in die Öffentlichkeit Drängenden, dort 2017 eine Sonderschau zuteil, verbunden mit der Verleihung des „Kunstpreises der Künstler“. Auch seine übrigen Ausstellungen waren größtenteils in und um Düsseldorf zu sehen.
Hermann Focke war damit zufrieden. Denn er hatte sein Glück längst gefunden: im Golzheimer Atelierhaus, dort, wo er werkelnd ganz bei sich selbst war.