Was uns Souvenirs in Corona-Zeiten bedeuten
Was bleibt uns vom Reisen in Zeiten von Corona? Zumindest die Souvenirs aus vergangenen Urlauben. Zeit für eine Würdigung.
Die ganze Welt sitzt in den eigenen vier Wänden, Reisen unmöglich. Andenken früherer Urlaube und aus fernen Ländern erinnern an bessere Tage.
„Wie in Zeitlupe nehmen wir jetzt alles genauer wahr, weil sich alles verlangsamt. Wir sitzen auf dem gleichen Stuhl, während wir alles Mögliche von zu Hause aus erledigen, und der Blick schweift auf die Souvenirs“, so beschreibt es der Kulturwissenschaftler Professor Wolfgang Kaschuba. „Diesen Erinnerungsstücken kommt in einer Zeit der zurückweichenden Horizonte, in der wir ja oft nur noch die Aussicht aus dem Fenster haben, ein größeres Gewicht zu.“
Zeit für die Frage: Warum kaufen wir überhaupt Souvenirs? Was bedeuten sie uns, gerade jetzt, da wir nicht mehr reisen können? „Für mich sind Souvenirs mehr als eine
Erinnerungsstütze“, sagt die Kunsthistorikerin Katharina Koppenwallner, die in ihrem Shop International Wardrobe ethnische Textilien verkauft. „Sie sind oft auch handwerkliches Überbleibsel einer Welt, die bei uns verschwunden ist.“Ein Beispiel seien bestimmte, handgemachte Stoffe
aus Indien. So etwas gebe es in Deutschland gar nicht mehr.
„Souvenirs sind in Verruf geraten, weil alle Leute denken, das sei so ein Folklore-Quatsch“, sagt Koppenwallner. „Aber es gibt in jedem Land eine materielle Kultur, die man entdecken kann. Da blättert sich einem eine Geschichte auf, die sehr spannend ist.“
Doch ein Andenken muss weder Kunstobjekt noch Alltagsgegenstand sein. „Ich finde auch ein T-Shirt mit der Aufschrift ,I love New York’ gut“, sagt Koppenwallner. „Auch das kitschige, ironische Souvenir kann eine Geschichte erzählen. Man sollte sich hüten, das zu bewerten.“Letztlich könne alles ein Souvenir sein.
„Souvenirs haben oft mit Kitsch zu tun, manchmal mit Kunst, immer jedoch mit Gefühlen“, resümiert Kaschuba. Sie hätten nämlich auch eine biografisierende Funktion. „Nach dem Motto: Ach ja, da waren wir vor zehn Jahren!“Man erinnert sich, teilt das Leben in Episoden.
Und dann kann es darum gehen, sich mit der Geschichte in Verbindung zu setzen. Das am häufigsten gefälschte Souvenir sei wohl das Stück Berliner Mauer, sagt Kaschuba. „Das ist ein Stück Weltgeschichte zum Anfassen und Ins-Regal-stellen, ein haptisches Erlebnis. Das macht Gänsehaut und fängt den Pathos dieses Ortes ein.“
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