Corona fegt den Campus leer
In einem offenen Brief fordern Professoren ein „Nichtsemester“. Wir haben nachgefragt, was die Unis in der Region davon halten.
DÜSSELDORF Wird das kommende Sommersemester ein sogenanntes Nullsemester? In einem offenen Brief sprechen sich jetzt Professoren der LMU München, der Universität Trier und der Leibniz Universität Hannover dafür aus – wenn möglich, soll die Lehre zwar stattfinden, das Semester aber formal nicht gelten.
„Studierenden, die keine Studienleistungen erbringen können, dürfen keine Nachteile entstehen“, sagen sie. Ihre Forderung begründen sie damit, dass weder Lehrende noch Studierende mit den Methoden und Tools des E-Learning ausreichend vertraut seien, um Präsenzlehre einfach ins Netz zu verlagern. Vor allem sozial Schwächere seien benachteiligt; Studierende, die ihre Jobs verloren haben und sich nun um neue Einnahmequellen kümmern müssen, aber auch Lehrende, Forschende und Studierende, die sich parallel zum Uni-Alltag um ihre Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen kümmern müssen.
Der offene Brief hat Kontroversen ausgelöst. Viele halten die Forderung nach einem Nullsemester für keinen guten Vorschlag, denn die Organisation sei zu großem Aufwand verbunden. Wie sehen das die Universitäten in der Region, und was haben sie für das Sommersemester konkret geplant?
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Dass Studierende und Lehrende mit den Methoden des E-Learnings nicht ausreichend umgehen können, trifft auf die Hochschule nicht zu. Schon vor der Corona-Krise sei die Online-Lehre in allen Fakultäten verbreitet gewesen, allerdings als Begleitwerkzeug für Lehrveranstaltungen mit Anwesenheit. „Wir verstehen uns als Präsenzuni“, sagt Rektorin Anja Steinbeck. Da auch hier nicht feststeht, ob Präsenzveranstaltungen stattfinden werden oder nicht, wurde in den vergangenen Wochen technisch und digital inhaltlich stark aufgerüstet: „Wir werden in sämtlichen Studiengängen Online-Formate anbieten“, sagt sie.
Ruhr-Universität Bochum
Für die 42954 Studierenden der Ruhr-Universität Bochum (RUB) wird das anstehende Sommersemester
ohne Präsenzveranstaltungen erfolgen. Das Semester – ohnehin bereits auf Montag, 20. April, verschoben – wird somit mit rein digitalen Angeboten starten, teilt Pressereferent Jens Wylkop mit. Damit ist die RUB die erste Universität in NRW, die sich für eine derartige Regelung in Zeiten des Coronavirus entschieden hat. Allerdings, so stellt Wylkop auf Anfrage klar, gelte diese Reglung nur vorläufig. „Wir bewerten die Lage stets neu und prüfen dann, ob wir an der Regelung festhalten oder nicht.“
Sollte die Ausbreitung des Conronavirus eingedämmt werden und sich die „Lage entspannen“, könnten unter Umständen Präsenzveranstaltungen für das Sommersemester wieder eingeführt werden. „Trotz der fehlenden Präsenzveranstaltungen während der Vorlesungszeit werden Studierende regulär Credit-Points erwerben können. Die Lehrenden stellen dafür ihre Studienangebote auf online-gestützte Veranstaltungen um.“Praktika, Experimente, Exkursionen oder Archivbesuche
sollen durch gleichwertige und kontaktlose Angebote möglichst ersetzt oder verschoben werden.
Universität Duisburg-Essen Auch an der zweitgrößten Ruhrgebiets-Universität – gemessen an der aktuellen Studierendenzahl – soll das Sommersemester ein vollwertiges Semester werden: Am der Universität Duisburg-Essen (UDE) gingen somit keine der erworbenen Studienleistungen verloren. „Die UDE richtet sich wegen der Corona-Krise vielmehr darauf ein, dass das Semester möglicherweise ohne Präsenzveranstaltungen stattfinden muss“, erklärt Ulrike Bohnsack von der Pressestelle Heißt: Auch die UDE mit ihren gegenwärtig knapp 42.500 Studierenden richtet sich auf ein Semester ein, dass komplett aus Onlineund E-Learning-Formaten bestehen könnte. „Wie das aussehen kann, das wird gerade erarbeitet“, sagt Bohnsack auf RP-Anfrage. Dazu gebe es eine „übergeordnete Taskforce sowie weitere Arbeitsgruppen
in verschiedener Zusammensetzung, teils mit Studierenden, zu bestimmten Themenfeldern wie Studium und Lehre, Gebäudemanagement oder etwa Arbeitssicherheit.
Alle Arbeitsgruppen tagen regelmäßig als Telefon- oder Videokonferenz.
Technischen Universität Dortmund Ähnlich ist das Lagebild an der Technischen Universität (TU) Dortmund. „Wir wissen noch nicht, ob es ein reines präsenzloses Semester wird“, erklärt Martin Rothenberg von der TU-Pressestelle. Es sei noch nichts entschieden, jedoch würden derzeit die „digitalen Angebote massiv ausgebaut“werden. Einige Fachbereiche seien mit ihren digitalem Angebot schon so weit, dass sie am 20. April gar mit der Lehre loslegen könnten. Zudem sind sogenannte digitale Sprechstunde geplant, die mehrmals in der Woche erfolgen sollen. Wie die beiden anderen Groß-Universitäten ist die TU Dortmund auch seit Montag, 16. März, für alle Studierenden sowie die restliche Öffentlichkeit geschlossen. Es herrscht ein striktes Betretungsverbot, erlassen vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes. Beschäftigte der TU sollen seit dem 18. März im Homeoffice bzw. im Bereitschaftsdienst arbeiten. Öffentliche Veranstaltungen sind verboten; auf andere nicht notwendige Veranstaltungen soll verzichtet werden. Das Kontaktverbot vom 22. März gilt auch für den Campus. Allerdings dürfen zugangsberechtigte Personen aus Lehre und Verwaltung die Gebäude nach wie vor betreten, da ja unter anderem der Notbetrieb aufrechterhalten werden müsse sowie wichtige Versuche, wie an den beiden anderen Universitäten auch, weiter liefen.
Bergische Universität Wuppertal Ein Nullsemester hält die Uni für falsch. Denn dadurch würden weitaus größere Nachteile entstehen: Es verlängere das Studium vieler Hochschüler, was sich negativ auf die finanzielle Lage und die geplanten Schritte für die Zeit nach dem Studienabschluss auswirke. „Wir haben auf eine Anpassung der BaföG-Regeln gedrängt und empfehlen ein Hinausschieben der Altersgrenzen für die Kindergeldberechtigung inklusive der Mitversicherung bei den Eltern“, sagt Rektor Lambert Koch. Ob Präsenzveranstaltungen stattfinden werden, steht noch nicht fest. Die Uni bereitet Lehrende aber bestmöglich auf „distance learning“vor, damit das Semester kein verlorenes wird. Schwierig sei dies im Prüfungswesen, für das flexible Regeln gefunden werden müssen. Das Land NRW bereitet derzeit eine Gesetzesanpassung vor, über die mittels einer Durchführungsverordnung Rechtssicherheit mit Blick auf krisenbedingt angepasste Lehr- und Prüfungsformte geschaffen werden soll“.
RWTH Aachen Auch die Technische Hochschule fühlt sich auf das kommende Semester vorbereitet, „ein Nullsemester ist nicht in unserem Interesse“, sagt Prorektor Aloys Krieg. In enger Absprache mit dem Asta und den Studierenden werden stattdessen Möglichkeiten gefunden, Lehre so gut es geht stattfinden zu lassen. „Der Austausch ist wichtig, da Studierende Problematiken einbringen, die wir nicht auf dem Schirm haben“, sagt er. Mit Videokonferenzsystemen, die auch interaktiv funktionieren, vorproduzierten Videos und Tutorien werden Veranstaltungsinhalte digital vermittelt.