Nachhaltigkeitstage werden verschoben
Das Netzwerk ratingen.nachhaltig bereitet in der Corona-Krise vermehrt Online-Aktivitäten vor.
Der Dreck-weg-Tag, an dem sich auch ratingen.nachhaltig beteiligt hat, ist noch durchgeführt worden. Nun sind alle weiteren Termine abgesagt. Wie sehen Ihre Aktivitäten derzeit aus?
JULIA MERKELBACH Wir mussten uns erstmal auch intern auf die neue Situation umstellen; und unsere Absprachen und Organisationstreffen ins Internet verlegen. Wir müssen noch einige Veranstaltungen absagen, aber wir versuchen, wo es möglich ist, Alternativen anzubieten. Anstelle des gemeinsamen CleanUps laden wir zum ursprünglich geplanten Termin zum #allEinsammeln ein – die Menschen sollen alleine bei einem Spaziergang ein Stück Wald, Park oder Straße von Müll befreien und uns gerne ein Foto davon bzw. der „Ausbeute“schicken, die wir zu einem Bild zusammenfügen und auf die Homepage stellen wollen. Außerdem planen wir neue Formate, zum Beispiel Podcasts und Videos.
Für den Juni waren in Ratingen die Tage der Nachhaltigkeit geplant. Fallen die ersatzlos aus, oder haben Sie einen Ausweichtermin ins Auge gefasst?
MERKELBACH Da wir ziemlich viel Arbeit in die Planung der 1. Ratinger Tage der Nachhaltigkeit (RTdN) investiert haben und auf große Resonanz gestoßen sind – es sind insgesamt 37 Veranstaltungen angemeldet worden, von denen wir selbst als Verein nur drei organisiert haben – wollen wir die RTdN auf keinen Fall ausfallen lassen. Es haben sich so viele Menschen Gedanken gemacht und Ideen eingebracht, dass wir die Chance auf jeden Fall nutzen möchten, das Thema nachhaltige Entwicklung weiter in den Fokus zu rücken. Deshalb suchen wir derzeit nach einem passenden Ausweichtermin, der erst nach den Sommerferien sein wird. Sobald es genauere Informationen gibt, werden wir uns mit einem neuen Termin melden.
Haben Sie Sorge, dass dieses Thema jetzt erstmal wieder in den Hintergrund rückt, weil die Menschen andere Sorgen haben?
MERKELBACH Ja und nein. Auch unsere Vereinsmitglieder sind teilweise Risikopatienten oder haben Verwandte, um die sie sich momentan verstärkt kümmern. Trotzdem sind wir weiterhin aktiv, und ich denke, dass viele Menschen ihre nachhaltigen Verhaltensweisen zum Beispiel beim Einkauf oder im Verkehr nicht aufgrund von Covid-19 verändern. Es besteht jedoch meiner Meinung nach die Gefahr, dass das Thema politisch in nächster Zeit vernachlässigt wird – dabei ist genau das die Ebene, die die wichtigen Schrauben drehen kann. Der europäische Green New Deal soll weiterhin kommen, obwohl einige Staaten sich aufgrund der aktuellen Situation dagegen ausgesprochen haben. Dabei liegt darin die Chance, die zur Ankurbelung der Wirtschaft geplanten Investitionen und Förderungen an Bedingungen wie Maßnahmen zur CO2-Einsparung oder faire Lieferketten zu knüpfen. Viele der momentanen Probleme sind auch durch nicht-nachhaltiges Verhalten in der Vergangenheit entstanden, zum Beispiel die ständige Überproduktion von Lebensmitteln und Kleidung. In der jetzigen Situation mit geschlossenen Geschäften bleiben die großen Textilketten auf ihren Kollektionen sitzen. Als Folge davon brechen viele die Verträge mit ihren Zulieferfirmen zum Beispiel in
Bangladesh, wo jetzt Millionen von Nähern ihre Existenzgrundlage verloren geht. Gerade jetzt besteht also auch eine Chance, bestimmte Zustände zu verändern – indem man zum Beispiel bewusst fair und nachhaltig produzierte Waren einkauft.
Wie können die Ratinger trotz der Corona-Krise und verschärfter Hygiene-Vorschriften den Nachhaltigkeits-Gedanken beibehalten? MERKELBACH Nachhaltigkeit ist ja nicht nur Klima- und Umweltschutz. Wir orientieren uns an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, die z.B. auch die Reduktion von Armut und Hunger, gute Bildung, Gesundheit, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit thematisieren. Und da bieten sich viele Möglichkeiten, auch in der Corona-Krise nachhaltig zu denken und zu handeln: Wir haben zum Beispiel nach der Schließung der Tafel vereinsintern für den Sozialdienst katholischer Frauen gesammelt, die derzeit Bedürftige
mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln versorgen. Gleichzeitig ist gerade jetzt der Zeitpunkt, in dem die Ratinger Bürger die lokale Wirtschaft zu schätzen lernen und auch unterstützen sollten: Im Unverpacktladen „Local Ratingen“zum Beispiel wird regionales Getreide und Mehl aus Velbert verkauft, was dauerhaft verfügbar war, während der Großhandel keins mehr an die Supermärkte liefern konnte. Und auch die Marktstände versorgen die Kunden weiterhin mit Lebensmitteln zum Großteil aus der Region. Gerade jetzt sollten kleine, inhabergeführte Geschäfte unterstützt werden, damit die Arbeitsplätze und der Charme der Ratinger Innenstadt erhalten bleiben und gerade die alternativen, zukunftsfähigen Geschäftskonzepte durchhalten. Vielleicht lernen wir in dieser Zeit alle wieder, etwas bewusster zu leben und können auch den Nachhaltigkeitsgedanken stärker in den Fokus rücken, da uns die wirklich wichtigen Dinge im Leben wieder vor Augen kommen: Gesundheit, Gemeinschaft und Nahrungsmittel aus einer gesunden Umwelt. Wir hoffen, dass wir auch in Zukunft viele Menschen erreichen – und hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft die 1. Ratinger Tage der Nachhaltigkeit gemeinsam mit vielen Ratingern feiern können.